Gedanken zu Johannes 1, 43 - 51
Im Freijahr nutze ich weder Facebook noch Instagram. Doch in den vergangenen Jahren entstanden dort viele Kontakte. Und manche Impulse verdanke ich Menschen, die ich wohl nie im realen Leben sehen werde. Soziale Netzwerke funktionieren dadurch so gut, dass sie Verknüpfungen über gemeinsame Interessen erstellen. Selbst für recht abstruse Vorlieben finden sich Gleichgesinnte, in denen sich der einzelne spiegelt. Es sind Echokammern, in denen die Gefahr droht, dass jeder nur sich selbst hört.
Doch selbst, wenn es gelingt, Menschen mit anderen Überzeugungen in die eigene Freundesliste einzubinden, kommt man in die Lage, viele Menschen nur oberflächlich wahrzunehmen. Es braucht aber Zeit, einen Menschen wirklich kennenzulernen.
Jesus trifft Philippus. Der kommt aus dem Heimatort von Andreas und Petrus. Philippus holt den Natanael mit in den Freundeskreis. Es stellt sich heraus, dass Jesus ihn schon kannte. Jesus hatte ihn unter einem Feigenbaum gesehen. Was auch immer Natanael dort getan hat. Es war wohl so bedeutsam, dass Jesus die Szene im Gedächtnis behielt und auch Natanael scheint sich zu erinnern.
Es ist nicht gut, wenn der Mensch allein ist. (Gen 2,18) Damit wird schon auf den ersten Seiten der Bibel der Menschen als Beziehungswesen definiert.
Auch wenn Jesus selbst nie verheiratet war, enge Freundschaften waren ihm wichtig. In Lukas 8, 1-3 erfahren wir, dass in seinem engeren Umfeld Männer und Frauen waren. Neben dem männlichen Jüngerkreis erhalten selbstverständlich auch Frauen zentrale Aufgaben. Besonders herausragend ist ihre Rolle bei der Salbung Jesu (Joh 11,2) und als Zeugen der Auferstehung Jesu. (Mt 28,9). Die Evangelien legen freilich auch den Verdacht nahe, dass die männlichen Jünger damit ein Problem hatten. Sie wunderten sich, dass Jesus mit einer Frau am Jakobsbrunnen geredet hatte (Joh 4,27) und sie halten die Botschaft von der Auferstehung für Weibergeschwätz. (Lk 24,11)
Berufung ist insofern zunächst einmal nicht davon abhängig, ob sie von anderen anerkannt wird, Bezugspunkt einer christlichen Berufung ist zunächst einmal Jesus Christus. In der konkreten Ausgestaltung einer Berufung stießen Berufene immer wieder an Grenzen. In besonders beeindruckender Weise formuliert das Therese von Lisieux:
"Ich fühle mich zum Priester berufen. O Jesus, mit welcher Liebe würde ich Dich in Händen halten! Mit welcher Liebe würde ich Dich den Gläubigen geben! Trotz meiner Kleinheit möchte ich den Menschen Licht bringen, wie die Propheten und Kirchenlehrer es taten. Ich fühle mich zum Apostel berufen. Ich wollte um die Welt reisen, um Deinen Namen zu verkünden."
Johannes Paul II hat die Diskussion zum Frauenpriestertum für beendet erklärt. Derselbe Papst hat Therese zur Kirchenlehrerin ernannt. Die französische Heilige schaffte das Kunststück, im Herzen der Kirche ihrer Berufung treu zu bleiben ohne sie aufzugeben. In den Akten zum Heiligsprechungsverfahren steht:
"Als sie sich 1897 bewußt war, daß sie Lungentuberkulose hatte, sagte sie: ,Der liebe Gott ist im Begriff, mich in einem Alter zu sich zu nehmen, da ich noch nicht die Zeit gehabt hätte, Priester zu sein . . . Wenn ich hätte Priester werden können, hätte ich in diesem Juni die heiligen Weihen empfangen. Was tat also Gott? Damit ich nicht enttäuscht würde, ließ er mich krank werden. Auf diese Weise konnte ich nicht dabeisein, und ich sterbe, bevor ich mein Amt ausüben könnte.'"
Christliche Berufung ist aber eher Evolution als Revolution. Und so deutete sie ihren Platz. Wer Jesus bereits im Herzen trägt, muss nicht um Ämter kämpfen. Die Diskussionen um kirchliche Dogmen und Ämter mögen in der Gegenwart ihre Bedeutung haben. Berufung aber hat die Ewigkeit im Blick: