Von der heilenden Zuwendung zum Du
Der gute Hirte. das ist eines der ältesten Bilder für Jesus Christus. Heute bezeichnen sich Bischöfe als Hirten. Sie tragen einen Hirtenstab. Und im Begriff Pastor lebt die Hirtensorge bis heute.
Im Johannesevangelium bezeichnet Jesus sich selbst als Hirt.
Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe. (Joh 10,11)
Er ist das Kontrastprogramm zu Kain.
Bin ich der Hüter meines Bruders?(Gen 4,9) Klar. Die Frage ist an dieser Stelle eine bodenlose Unverschämtheit. Kain hatte kurz zuvor seinen Bruder ermordet. Es ist die Negierung und Verweigerung von Verantwortung.
Jesus pflegt Beziehungen. Er wendet sich anderen zu. Er lässt niemanden hoffnungslos zurück, der ihm vertraut. Nach dem Zeugnis der Bibel nimmt sich Jesus selbst am Kreuz noch Zeit, Beziehung zu stiften
Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: Frau, siehe, dein Sohn! Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich. (Joh 19, 26 - 27)
Der Theologe und Psychologe Stefan Blarer macht darauf aufmerksam, wie unbefangen und offen Jesus seine Beziehungen pflegt:
"Die zölibatäre, ehelose Lebensweise Jesu war offensichtlich nicht eine Form der Askese und der Enthaltsamkeit, sondern eine intensive Form der Liebe. Es war eine Liebe, die Glück und Freude, aber auch Schmerz und Leid teilte, eine Liebe, die nicht festhielt, sondern immer losließ und befreien wollte." (Blarer. Kunst seelsorglicher Liebe. 38)
"Wenn ein Pastor für das Geld arbeiten sollte, was wir hier haben, und diese Stunden machen sollte, hätten wir keine Pastoren mehr.", sagt ein Hirte in einem Artikel des Deutschlandfunks. Eigentlich erschreckend. Gerade im Johannesevangelium wird ja das Bild eines Hirten entworfen, der so stark mit der Herde verbunden ist, dass er trotz der widrigen Umstände bleibt. Der bezahlte Hirte wird eher skeptisch gesehen.
Der bezahlte Knecht aber,
der nicht Hirt ist und dem die Schafe nicht gehören,
sieht den Wolf kommen,
lässt die Schafe im Stich und flieht;
und der Wolf reißt sie und zerstreut sie.
So wichtig die Aufgaben von Caritas, Diakonie und Kirchen sind: sie ersetzen nicht die heilsame Begegnung mit Menschen, die sich ganz auf den anderen einlassen - ohne Gegenleistung und ohne den anderen für den eigenen Nutzen zu instrumentalisieren. Wer im kirchlichen Dienst anderen begegnet, sollte nicht vergessen: Es geht garnicht um die Institution. Es geht um Menschen, die ein Stück des Weges begleitet werden. Es geht darum, etwas von jener freigebenden Nähe sichtbar zu machen, die Jesus auszeichnete. Jesu Beistand ist existentiell. Er ist bereit, sein Leben zu geben. Das müsste im kirchlichen Handeln sichtbar werden.