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Vom Geheimnis des Gebets

Nach Dir schmachtet mein Leib

Die Pandemie endet nicht durch einen Gebetssturm. Mir wächst keine gesunde Niere nach drei Rosenkränzen. Und es ist sinnlos, nach der verpatzten Schulaufgabe dafür zu beten, dass Paris die Hauptstadt von Großbritannien wird. 

Trotzdem: Gebet hilft. Und gemeinsames Gebet verändert die Betenden. Damit verändert Gebet selbstverständlich Wirklichkeit. 

Wer dem aktuellen Gebetsaufruf von Papst Franziskus folgt, betet gemeinsam mit Christen auf der ganzen Welt. Er nimmt aktuell auch Menschen in Indien in Blick, die mit einem überforderten Gesundheitssystem kämpfen.  Er sieht die Perspektive der Nachtschwester auf der Intensivstation und den Frust des Schülers, der zu Hause mit  den überforderten Erziehungsberechtigten sitzt. 

Gebet ist Perspektivwechsel. Gebet ist die Überzeugung, dass trotz Tod und allen Katastrophen am Ende das Leben siegt. Gebet in den monotheistischen Religionen heißt, dass es ein Du gibt, das diese Welt im Herzen trägt und neu ins Leben ruft. Gebet im Christentum heißt, dass Gott in Jesus persönlich Teil der Geschichte geworden ist und in der Auferstehung Jesu sichtbar gemacht hat, wie die Geschichte endet. Gebet ist nicht ununterbrochener Lobpreis und das  gute Gefühl, in den Himmel zu kommen, wenn man nur fromm genug ist. Es geht nicht um das Ego. Nicht in diesem Leben und nicht im Himmel. Gebet ist sich verzehren wie eine Kerze. Loslassen, aber nicht wegwerfen. 

Gebet ist oft genug auch ein Ringen mit Gott. Oft genug ist es auch ein Ringen mit denen, die seinen Namen allzu selbstsicher verkünden.  Gebet ist oft genug auch die Erfahrung, dass Gott durch die spricht, die sich ungläubig nennen, aber für andere da sind. 

Die Gläubigen haben kein exklusives Wissen. Sie haben Erfahrung. Ihre eigene und die Erfahrung der vielen, die vor ihnen wagten, sich auf das Abenteuer Glauben einzulassen. Gebet ist Dialog auf einem stürmischen Schiff. Gebet ist verzweifelter Ruf nach Hilfe in aussichtsloser Lage. Gebet ist tränenersticktes Weinen in einem Krankenhaus kurz nach einer Transplantation, weil das Transplantat nicht arbeitet.  Gebet ist Jubel über einen Job, Frust über geplatzte Träume und Hoffnung auf den Spalt in der Tür. Gebet ist, zu trauern, aber im Wissen um die Auferstehung. 

Gebet ist, sein Herz allein an die letzte Wirklichkeit zu hängen, deren Präsenz man selbst erfahren hat oder von der andere erzählt haben. Zunächst auch mit den Worten anderer: Gott, Du mein Gott, Dich suche ich. Nach Dir schmachtet mein Leib wie dürres, lechzendes Land ohne Wasser! (Ps 63,2)

Gebet ist, gegen die Versuchung ankämpfen, den Tod und das Böse als letzte Wirklichkeit zu akzeptieren. "Hältst du noch fest an deiner Frömmigkeit? Fluche Gott und stirb!" (Hiob 2,3) 

Gebet ist sodann, wachsam zu sein, für die Spuren seiner Präsenz mitten in unserem Alltag. In ihm bewegen wir uns, leben wir und sind wir. Der Glaubende ist Schatzsucher, der von dem erzählen kann, was über die Zeit hinaus trägt und hält. 

Gebet ist nicht passiv, Gebet erwächst aus dem Handeln und führt zum Handeln. Gebet ist die Grundhaltung, in der unser Alltag seine Melodie erhält. Gebet ist nicht nur Gottesdienst am Sonntag oder fünf Gebetszeiten am Tag. So wertvoll, solche Unterbrechungen sind. Als Ausrichtung auf einen Sinn, der stärker ist als der Tod ist das Gebet Teil unseres Atems und unentbehrlich wie Herz und Nieren.