Den eigenen Weg gehen

Die fehlende Landkarte

Eigentlich müssten wir bei der ersten Begegnung mit einem Menschen von Anfang bis Ende schweigen. 


Eigentlich müssten wir loslassen und lauschen. 

Höre ich Deine Melodie? Hörst Du meine Melodie?  

Lausche dem seltsamen Rauschen des Zeitflusses. 


Wir leben zwar in der gleichen Welt, aber  mit unterschiedlichen Geschichten. Es ist gut, wenn es Deutungsschlüssel gibt, aber zugleich sollten wir stets darauf achten, ob die eigene Erfahrung passt.

Lass die Bilder los, wenn Du mich siehst.

Lass ich die Bilder los, wenn ich Dich sehe?


In den Lichtern der Stadt fehlen die Sterne.

In der dunklen Straße begegne ich Deiner Angst.

Du bist anders als ich. Das Fremde bedroht Dich.

Lasse ich die Fremdheit stehen?


Urteilt nicht! Und doch urteilen wir.  Unvermeidbar. Andere urteilen über uns. Lassen wir es zu. 

Lassen wir das Urteilen nicht über uns bestimmen. 


Die Realität ist stärker als der Traum. 

Meine Landkarte passt nicht. Aber ich habe keine andere Basis für unsere Begegnung. 

Ich schlage vor, die verschiedenen Landkarten zusammenzulegen. Wie ein Mosaik. Denn wir alle sehen nur rätselhafte Umrisse.

Wohin musst Du? Wohin muss ich?

 Manchmal scheint es uns, dass wir verstehen. 

Wir malen ein Bild vom anderen.

Wir mögen ihn oder mögen ihn nicht.

Wir lassen sie näher oder vermeiden Begegnung. 

Im Du entdecken wir auch uns selbst. 

Im Du entwickeln wir unser Bewusstsein vom Ich. Suchend gehe ich meinen Weg. 

Ich suche Orientierung. 

Es geht also nur um mich? 

Ich sprach von Dir und meinte nur mich?


Es gibt diese Gefahr. 


Es ist nicht gut, Menschen zu binden, die einen anderen Weg gehen müssen. 

Es ist gut, Menschen loszulassen, die mich von meiner Aufgabe wegführen. 

Es ist gut, Menschen loszulassen, die selbst andere Ziele haben. 

Es ist nötig, den anderen nicht allein zu lassen, wenn meine Nähe die Narben erträglicher macht.


Gold und Silber habe ich nicht.

Zeit und Nähe kann ich Dir schenken. 

Hilft das?


Es ist nötig, den anderen allein zu lassen, wenn meine Nähe zu neuen Narben beiträgt. 

Es ist nötig, wegzugehen, wenn ich mich selbst verliere.

Manchmal verletzen wir, weil wir an uns selbst festhalten.

Manchmal verlieren wir andere, weil wir klammern.

Manchmal klammern wir, weil wir nicht zugeben wollen, dass wir Angst haben. 

Am Grund unserer Leere suchen wir Sinn. 

Manchmal lieben wir.

Der Geliebte soll bleiben.

Manchmal wollen wir das Risiko nicht zulassen.

Doch auch der Geliebte muss seinen Weg gehen. 

Das darf nicht geschehen, sage ich.

Wusstest Du nicht, dass das geschehen muss?

Halt mich nicht fest!


Bleibe bei uns, denn es ist Abend geworden. 

Wir sind alle Suchende. 

Ich weiß auch nicht mehr als Du.

Nur mein Weg ist anders gewesen. 

Ich habe die Wüste durchquert.

Ich lebe. Andere gingen verloren. 

Ich allein überlebte, um Dir zu berichten. 

Die Geliebte wurde mir entrissen. 

Ich blute.


Manchmal lichtet sich ein Weg in der Dunkelheit. 

Manchmal ist es leichter, gemeinsam zu gehen. Doch es gibt Wege, die ich allein gehen muss.

Meine Landkarte erzählt von der Geschichte meines Weges. Vielleicht ist mein Weg hilfreich. Vielleicht gehen wir eine Zeit lang zusammen. 

Vielleicht trennt sich der Weg. 

Wir lernen nie, andere Menschen loszulassen. Am Ende lassen wir dieses Ich los.


Geh Deinen eigenen Weg. Ich muss an dieser Kreuzung anders abbiegen als Du. 

Nein, Du kannst mich nicht begleiten, aber wir können zurückblicken?

Vielleicht passt Dir das nicht.

Vielleicht sollst Du Dich nicht umsehen. 

Dein Routenplaner verbietet das?  

Tu, was Dir im Innersten hilft.

Die Liebe will ein Wiedersehen. 

Auf die Ewigkeit hoffen die Liebenden. 

Ist es Trost oder Vertröstung? 


Wir werden uns wiedersehen und uns gegenseitig von den neuen Erfahrungen erzählen. 

Wir werden von den Menschen erzählen, die uns trugen. Liebe und Freundschaft halfen. 


Im Licht werden wir anders verstehen. 

Im Licht werden wir andere verstehen. 

 Du konntest nicht anders?

Du hättest anders gekonnt?

Ach. Hätte ich nur verstanden. 

Blindheit des Herzens. 

Ich werde erst dann urteilen können. 

Du wirst erst dann urteilen können.

Bis dahin werde ich Dir Raum geben. 

Bis dahin wirst Du mir Raum lassen. 

Ich hätte Dir Raum schaffen sollen. 

In meinem Alltag war zu wenig Raum. 

Nun siehst Du mich anders. 

Nun sehe ich Dich anders. 

Nun sehe ich die Welt anders.

Das ist jetzt meine Aufgabe.

Von der anderen Welt erzählen.


Wenn wir nur die lieben, mit denen wir  gut zurecht kommen, tun wir das, was alle tun. Die Liebe beginnt, wo der andere fremd bleibt.  

Unerträglich?

Willst Du gehen? 


Den Feind lieben bedeutet, ihn nicht durch meinen Hass noch tiefer in den Abgrund zu stossen, in den er nach meiner Meinung läuft. 

Den Feind lieben bedeutet, mein Umfeld ohne ihn zu gestalten, wo ich das kann. 

Manchmal ist Distanz nötig, um zu lieben. 

Es gibt einen gemeinsamen Ursprung von Dir und mir. Der Weg hat uns Fremd gemacht. 


Hörst Du mich?

Höre ich Dich?


Höre in Dich. 

Höre auf die Sehnsucht. 

Aber gehe vorsichtig. 

Zieh andere nicht auf Deinen Weg. 

Geh immer neu in die Stille zurück. 

In der Stille findest Du die Landkarte. 

Du hast Deinen Weg. 

Ich habe meinen Weg.

Am Ende kann kein anderer Deinen Weg gehen.

Aber Du bist auch allein nie ohne Begleitung. 

Das Licht leuchtet in der Finsternis.

Du hast nur die Augen geschlossen. 


Ich habe hier noch eine Aufgabe.

Nein, ich mach nicht zu lange. 

Ich komme, sobald ich kann. 


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