An die Wurzel gehen mit Paulus
Habt ihr den Glauben vielleicht unüberlegt angenommen? Mit dieser Frage konfrontiert uns Paulus in der Einheitsübersetzung. In der Lutherbibel wird der Text etwas anders übersetzt. In beiden Fassungen aber führt Paulus den Leser in das Zentrum der christlichen Verkündigung. Es geht um jenen historischen Jesus von Nazareth, den Paulus selbst zwar nie in seinem Leben persönlich getroffen hat, der aber sein Leben radikal durcheinander gebracht hat.
Paulus, der die junge Kirche verfolgte, erfährt sich selbst als persönlich von Jesus berufen. Das gibt ihm ein eigenes Selbstbewusstsein, das ihn wohl auch in Konflikt mit denjenigen brachte, die mit Jesus durch Galiläa gewandert waren.
Es spricht für Petrus, dass er sich nicht mit Macht gegen diesen Spätberufenen stemmte, sondern einen gemeinsamen Weg suchte.
Was hätte eigentlich Paulus getan, wenn seine Berufung nicht von Petrus anerkannt worden wäre?
Ich weiß, alternative Geschichte ist immer spekulativ. Daher mögen Historiker solche Konjunktive nicht. Aber ist nicht genau das immer wieder in der Kirchengeschichte passiert? Und es wird auch weiterhin passieren. Da mag die Struktur noch so synodal werden. Manchmal erkennen wir erst viel zu spät, wo Gott gewirkt hat. Mancher Heiliger wurde erst nach dem Tod berühmt. Ich nenne da gerne immer wieder Therese von Lisieux.
Was hätte eigentlich Paulus getan, wenn seine Berufung nicht von Petrus anerkannt worden wäre?
Ich glaube, er hätte trotzdem verkündet. Menschen, die sich berufen fühlen, finden ihren Weg, Gottes Willen zu erfüllen. So manche Ordensgründung begann damit, dass einzelne eine Not gesehen haben, die von den Mächtigen (auch der Kirche) übersehen wurde. Die Vielfalt der Konfessionen ist durch Menschen entstanden, die kein Gehör in ihrer Kirche fanden. Und viele Katholiken gestalteten lange vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil die ökumenische Bewegung aktiv mit. Das löste über lange Zeit keine Begeisterung im Vatikan aus, um es zurückhaltend zu formulieren.
Der notwendige und unvermeidliche Blick auf Schuld, Sünden und Strukturen zerstörerischer Macht sollte nicht davon ablenken, jetzt dort zu wirken, wo Menschen ein Wort der Hoffnung brauchen. Wo dies ökumenisch geschieht, gelingt das besonders glaubwürdig. Sie sollen eins sein, damit die Welt glaubt! Der Umgang mit Spannungen und Widersprüchen, die Zuwendung zu dem Bruder, den man nicht versteht, ist Zeichen der christlichen Nachfolge. Und gerade in der Minderheit ist das ökumenische Handeln naheliegend.
Um mal Paulus etwas zu aktualisieren:
Liebe Gemeinde von Leipzig!
Ich ermahne euch aber im Namen unseres Herrn Jesus Christus, dass ihr alle mit einer Stimme redet; und lasst keine Spaltungen unter euch sein, sondern haltet aneinander fest in einem Sinn und in einer Meinung. Denn es ist mir bekannt geworden über euch durch das Internet - auch ich gehe mit der Zeit wie schon damals am Areopag, dass Streit unter euch ist. Ich meine aber dies, dass unter euch der eine sagt: Ich gehöre zur katholischen, der andere: Ich zur evangelischen, der Dritte: Ich zur orthodoxen, der Vierte: Ich zu Christus. Wie? Ist Christus etwa zerteilt?
Ok. Ich erkläre es mal dem Völkerapostel:
Sehr geehrter Paulus!
Ich bin katholisch. Altmodisch ausgedrückt: Ich gehe mit Kephas. Nicht aufregen. Ich versuche, Ihnen das kurz zu erklären. In den letzten zwei Jahrtausenden gab es viel Streit um die richtige Auslegung. Und um ehrlich zu sein. Sie haben mit manchen Texten auch dazu beigetragen, dass es bis heute Streit gibt. Manches ist aber auch wirklich in Ihren Schriften schwer zu verstehen, wie schon der biblische Petrusbrief beklagt. Aber zumindest gibt es seit dem 19. Jahrhundert starke Bemühungen, wieder zueinander zu finden. Das ist nicht ganz leicht, weil so lange nicht miteinander gerungen, sondern nur übereinander gesprochen wurde. Aber inzwischen sind wir immerhin so weit, gegenseitig die Taufe anzuerkennen. Das könnte schon einmal eine Möglichkeit sein, dass jeder in der Ökumene die Wohnung im Haus Jesu findet, die ihm entspricht. Leider geht es trotzdem weiterhin viel um Macht und Strukturen. Ich weiß, Jesus hatte einfach ein Kind in die Mitte gestellt und damit mehr als deutlich gemacht, was er von Macht in seiner Gemeinschaft hält. Die internen Gespräche der Konfessionen erwecken den Eindruck, es gehe nur darum, die eigene Institution zu verändern, um sie zu bewahren. Vielleicht würden die Konfessionen besser vorankommen, wenn sie vor Ort (z.B. in Leipzig) überlegen, was sie alle gemeinsam für die Schwächsten bewegen können statt dass jede Konfession für sich eine Stadtsynode macht. Auch wenn das sicher gut gemeint ist.
Wir versuchen ja, die Knoten zu lösen. Manche möchten sie zerschlagen. Auch ich neige manchmal dazu. Ich fürchte nur, dass dabei mit dem Unkraut auch viel guter Weizen zerstört wird. Und doch verstehe ich die Ungeduld.
Herzliche Grüße aus Leipzig
Ernst-Ulrich
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