Stecke Dein Schwert wieder an seinen Ort!
Liebe Lesende!
In manchen Jahren scheint es besonders schwer, einfach frohe Ostern zu wünschen. Dieses Jahr gehört dazu. Dabei ist der Krieg in der Ukraine nicht der erste blutige Konflikt der Menschheit und er wird leider sicher nicht der letzte sein.
Tatsächlich ist Ostern aber schon von seinem Ursprung her ein Fest, das einfach widersprüchliche Gefühle auslösen muß.
An Palmsonntag zieht Jesus umjubelt in Jerusalem ein. An Gründonnerstag gibt es ein letztes Essen mit Jüngern, das von dunkler Vorahnung, Misstrauen und Verrat geprägt ist. Am Karfreitag zeigt sich Macht und Gewalt in ihrem hässlichem Gewand. Der Karsamstag lähmt die Anhänger Jesu, die von der Kreuzigung Jesu und den zerplatzten Träumen traumatisiert sind.
Am Sonntag dann die unerwartete Wende in ein neues Leben hinein, verkündet von Frauen, die auch in der Kirche in den folgenden zwei Jahrtausenden zu oft an den Rand gedrängt wurden.
Deinen Tod, o Herr, verkünden wir. Deine Auferstehung preisen wir.
Auch nach Ostern bleibt das Spannungsverhältnis von Leid und Tod auf der einen Seite sowie Befreiung und erlöstem Jubel auf der anderen Seite.
Christus ist auferstanden!
Das ist der alte Jubelruf der ersten Jahrhunderte, in denen die Anhänger Christi weder Macht noch eine starke Institution hatten, die sie geschützt hätten.
Aus Angst hatten die Jünger die Türen verschlossen. Ist das nicht verständlich?
Offenheit macht verletzbar. Wer seine Gefühle offenbart, ist angreifbar. Die Welt duldet keine Schwäche. Wer Kirchen öffnet, riskiert, dass das Heiligste geraubt und zerstört wird. Wer anderen die eigene Tür öffnet, kann auch enttäuscht werden. Und doch ist Offenheit die Basis für Begegnung. Und so ist es immer wieder gut, die Angst zu überwinden. Nur so öffnen sich Wege in eine bessere Zukunft.
Es dauert etwas, bis vor allem die männlichen Jünger begriffen, was ihnen die Frauen erzählten.
Der Tod hat nicht das letzte Wort.
Ist das nicht naiv im Angesicht tausender Tote?
Ist das nicht naiv im Angesicht missbrauchter Frauen und Kinder?
Als Jesus gefangen genommen wurde, verraten von einem seiner eigenen Freunde, da sind ein paar dabei, die zur gewaltsamen Verteidigung bereit sind.
Jesus hält sie auf.
Also keine Waffen an die Ukraine liefern?
Ich wage keine Antwort und ich verstehe alle, die sich mit der Antwort schwertun.
Tatsächlich aber stellt sich Jesus in eine Tradition, in der sich oft genug ein kleines Volk auch mit Gewalt gegen Angreifer zur Wehr setzen musste. Oft genug ist Israel trotz allem Widerstand ein geschlagenes und aus der Heimat vertriebenes Volk.
Jesus selbst geht den Weg der Ohnmacht. Immer wieder entzieht er sich den Bemühungen anderer, ihn zum politischen Führer zu machen.
Wenn Jesus davon spricht, dass es keine größere Liebe gibt als wenn einer sein Leben für seinen Nächsten gibt, dann meint er einen persönlichen Einsatz für den anderen. Diktatoren schicken andere in den Tod, während sie selbst im sicheren Bunker sitzen. Der Ohnmächtige sitzt selbst im Bombenhagel.
Trotzdem ist auch dem Ohnmächtigen nicht alles erlaubt. Auch dazu gibt es eine schöne Szene in der Geschichte Israels: David wird von König Saul verfolgt. Doch David schafft es im Lauf des Konflikts, in das Lager von Saul einzudringen. Er könnte nun Saul töten. Aber er verzichtet darauf:
David aber erwiderte Abischai: Bring ihn nicht um! Denn wer hat je seine Hand gegen den Gesalbten des Herrn erhoben und ist ungestraft geblieben?
Und er fügte hinzu: So wahr der Herr lebt: Der Herr möge ihn schlagen, ob nun der Tag kommt, an dem er sterben muss, oder ob er in den Krieg zieht und dort umkommt.
Mich aber bewahre der Herr davor, dass ich meine Hand gegen den Gesalbten des Herrn erhebe. Nimm jetzt den Speer neben seinem Kopf und den Wasserkrug und lass uns gehen! (1 Sam 26, 9 - 11)
Stecke Dein Schwert wieder an seinen Ort! Das ist der Aufruf, in allem Handeln nicht zu vergessen, dass auch der andere Kind Gottes ist. Auch als Angreifer und Gewalttäter bleibt er ein Mitmensch. Ach, wie abgedroschen klingt das. Und doch ist es wichtig.
Simon Petrus aber, der ein Schwert bei sich hatte, zog es, schlug nach dem Diener des Hohenpriesters und hieb ihm das rechte Ohr ab; der Diener hieß Malchus. Da sagte Jesus zu Petrus: Steck das Schwert in die Scheide! Der Kelch, den mir der Vater gegeben hat - soll ich ihn nicht trinken?(Joh 18,10 - 11)
Jesus entscheidet sich für die Ohnmacht. Warum? Weil er zwar bereit ist, ein Leben für seine Freunde zu opfern, aber eben nur sein eigenes.
Jesus handelt wie eine Mutter, die nächtelang nach Wegen sucht, wie der geliebte Sohn auf den richtigen Weg geführt werden kann und die eigene Gesundheit ruiniert. Ihr Tod ist nicht das Ende, sondern der Weg zum Leben für sie selbst und für andere. Zu diesen Anderen gehört auch der Gegner. Ihnen wendet Jesus sich am Kreuz noch einmal zu: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lk 23,34).
Den Tod verkünden wir, die Auferstehung preisen wir!
Jesu Tod öffnet auch dem Schuldigen einen Spalt in der Tür, damit er nicht gerichtet, sondern gerettet wird. Wir sollen eben tatsächlich als Christen Gutes auch denen tun, die uns hassen. Wie oft schlagen wir diese Tür zu und löschen damit den glimmenden Docht der Hoffnung, der einen Neuanfang ermöglicht hätte?
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