Wenn sie schweigen, werden die Steine schreien!
Palmsonntag 2022
Hey Römer! Der seltsame Wanderprediger, der unter Eurer Herrschaft am Kreuz ermordet wurde, ist auch nach zwei Jahrtausenden noch Gesprächsstoff. Und es spricht viel dafür, dass seine Ideen noch aktuell sind, wenn keiner mehr über Euer Imperium Romanum spricht, von dem heute nur noch Ruinen existieren
Ihr Christen und Ihr Herrscher, die Ihr seine Worte in den Mund zu nehmen wagt, sollt wissen, dass Gott selbst die Mächtigen vom Thron stürzt. Staub seid ihr alle und zu Staub werdet Ihr werden - so wie auch ich und alle, die heute gegeneinander kämpfen.
Ihr Mächtigen eines sterbenden Planeten, der in der Sonne verglühen wird und die Ihr Eure temporäre Macht mit Jesu Worten zu legitimieren wagt, hört genau zu, wie Jesus Macht versteht und ausübt.
Jerusalem ist Teil des römischen Imperiums. Israel ist besetzt und unterdrückt. Im Volk gärt es. Viele wollen endlich den brutalen Besatzer loswerden. Wann greift Gott endlich ein? Wann kommt der Messias, der als siegreicher König das Gottesvolk befreit?
Ist es Jesus? Palmsonntag erinnert die Kirche an seinen Einzug in Jerusalem. Seine Anhänger sind begeistert. Nun also endlich die Befreiung. Er kommt auf einem Esel. Das irritiert etwas. Warum nicht das Pferd? Aber vielleicht will er die Römer täuschen?
Der Einzug ist gut organisiert. Jesus scheint seine Anhänger überall zu haben. Das müssen auch die zwei Frauen denken, die er in ein Dorf nahe von Jerusalem schickt. Frauen? Jünger nennt sie die Einheitsübersetzung. Da auch Frauen zu seinen Jüngern zählten, habe ich an dieser Stelle die Freiheit, zu spekulieren, dass es Frauen waren. Für Jesus kein Problem. Für seine männlichen Jünger oft genug schon. Das beginnt bei der Frau am Jakobsbrunnen und zieht sich durch bis zu den Frauen, die seine Auferstehung verkünden. Die männlichen Jünger halten alles, was sie selbst nicht verstehen, für Weibergeschwätz.
Also: die zwei Frauen gehen und finden einen Esel angebunden und binden ihn los. Der Besitzer macht keinen Ärger, als er erfährt, dass "der Herr ihn braucht". Da ist wohl einer vorher eingeweiht worden. Jesu Netzwerk funktioniert. Das Volk strömt zusammen. Jerusalem ist (wieder einmal) in Aufruhr. Mittendrin auch die Pharisäer. Ihnen ist die Situation nicht recht. Jesus entzieht sich immer wieder den Strukturen und damit jeder Kontrolle. Man wollte ihn ja schon einmal zum König machen. Doch er entzog sich statt nach der Macht zu greifen. (Joh 6,15) Nun wollen sie, dass er seine Anhänger zum Schweigen bringt.
Wenn sie schweigen, werden die Steine schreien.
Aus weltlicher Sicht ist er kurz vor der Machtübernahme. Das scheint sich auch durch einen königlichen Wutausbruch im Tempel zu bestätigen. Bei einem Besuch dort schmeißt er die Händler hochkant raus, Matthäus, Markus und Lukas überöiefern uns den Gewaltakt als Teil der Leidensgeschichte. Bei Johannes geschah das bereits zu einem früheren Zeitpunkt. Egal wann es geschah, es war ein Skandal.
Für die Tempelaristokratie war das ein Angriff auf ihre Autorität. Damit hatte er sie schon einmal zu Feinden gemacht. Aber was kümmert das einen künftigen König, wenn er sich auf den Volkswillen berufen kann.
Doch Jesus weigert sich, der Anführer einer politischen Bewegung zu werden, die die Römer aus dem Land jagt.
Als Gefangener wird er noch einmal bekennen, dass er König ist. Doch seine Regierungserklärung zielt auf eine radikale Umkehr der Machtverhältnisse, die nur dann gelingen kann, wenn jeder einzelne von uns auf Demonstrationen der Macht verzichtet und seine Talente radikal als Dienst am Du versteht:
Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. Aber so ist es unter euch nicht; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein. (Mk 10, 42 - 44)
Sein Regierungsprogramm verträgt sich nicht mit dem Machtanspruch von Diktatoren, die Gewalt und Unterdrückung mit seinen Worten zu rechtfertigen wagen. Sein Regierungsprogramm ist aber zugleich eine Zumutung für jene, die gegen Unterdrückung kämpfen.
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