Gedanken zum 13. Sonntag im Jahreskreis (Mt 10 / 2 Kön 4)
"Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zu Ehre Gottes des Vaters. Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind."
Mit diesem Spruch unterstrich König Friedrich Wilhelm IV. seinen Anspruch auf Macht. Dieser Satz steht an der Kuppel des neu errichteten Stadtschlosses in Berlin.
Ursprünglich entstanden die Sätze als Ermutigung der ersten Christen, die unter staatlichen Repressalien litten. Paulus schrieb aus dem Gefängnis an die Philliper:
"dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind." (Phil 2,10)
Jesu Anspruch ergibt sich aus seiner Ohnmacht. So begründet es Paulus. Die Bereitschaft, selbst durch Leid und Tod zu gehen, wird zum Zeichen göttlicher Macht. Das steht im Kontrast zu Herrschern, die andere in Leid und Tod schicken, um die eigene Macht zu erhalten.
Der erste Teil stammt aus der Apostelgeschichte.
Und es ist in keinem anderen das Heil; denn auch kein anderer Name unter dem Himmel ist den Menschen gegeben, in dem wir gerettet werden müssen. (Apg 4,12)
Die ersten Christen grenzten sich vom Anspruch des Staates ab, Heil und Sinn des eigenen Lebens zu sein. Gegen den staatlichen Machtanspruch stellten die Christen den Weg der Ohnmacht, den Jesus gewählt hatte. In diesem Weg Jesu liegt das Heil. Bonhoeffer griff diesen Gedanken auf, als er sich gegen das Dritte Reich und die Deutschen Christen stellte.
Der Anspruch Jesu, ihn mehr zu lieben als Familie oder Staat ist ein Brandmauer gegen Machtansprüche anderer.
Ich liebe Dich. Das klingt unbegrenzt. Es gibt Sicherheit und Geborgenheit. Eltern lieben ihre Kinder. Kinder lieben ihre Eltern, selbst wenn Teenager auf Abgrenzung wert legen. Und Paare schwören sich ewige Liebe, auch wenn sich daran Jahre später manches Paar nicht mehr erinnern will.
Gibt es vielleicht doch Grenzen der Liebe?
Teenager grenzen sich oft scharf ab, um ihren eigenen Lebensweg zu finden. Andere Kinder bleiben und finden keinen Weg, selbständig zu werden.
Paare bleiben zusammen, obwohl sie ihre Liebe zueinander verloren haben. Andere ertragen sich gegenseitig nicht mehr und gehen.
Jesus liebte und ging seinen eigenen Weg. Er sorgte noch am Kreuz dafür, dass seine Mutter versorgt war, doch er ging einen Weg, den seine Familie nicht immer verstand.
Nikolaus von der Flue wurde Eremit. Er verließ seine Frau und seine Kinder, weil er im Innersten spürte, dass er einen anderen Weg gehen musste.
Ich liebe Dich. Das fordert Jesus für jene ein, die ihm folgen. Das klingt zuerst frech. Es würde auch seltsam wirken, wenn Paare zueinander sagen: Ich liebe Dich, aber diesen Jesus liebe ich mehr.
So formuliert wäre es eine Einschränkung der Liebe.
Jesus lieben macht nur Sinn, wenn seine Forderungen auf die Mitte der menschlichen Existenz verweisen.
Lieben hat seine Grenze, wo Lieben das Ziel meiner eigenen Existenz gefährdet. Für Glaubende ist das Ziel der eigenen Existenz Gott. Für Christen ist in Jesus dieser Gott sichtbar geworden.
Das Buch der Könige im Alten Testament erzählt eine Geschichte:
Ein Prophet kommt immer wieder zu einer verheirateten, wohlhabenden Frau zum Essen. Die Frau sieht in dieser Zuwendung ein Wirken Gottes, daher sagt sie zu ihrem Mann:
Ich weiß, dass dieser Mann, der ständig bei uns vorbeikommt,
ein heiliger Gottesmann ist.
Wir wollen ein kleines, gemauertes Obergemach herrichten
und dort ein Bett, einen Tisch,
einen Stuhl und einen Leuchter für ihn bereitstellen.
Wenn er dann zu uns kommt,
kann er sich dorthin zurückziehen. (2 Kön 4,8-10)
Einen Menschen lieben bedeutet, Gottes Geschichte mit diesem Menschen zu respektieren. Das ist nicht leicht, weil in der Außenperspektive nicht immer sofort erkennbar ist, wohin der Weg führt. Zu Gott? In das eigene Unglück?
Manchmal müssen wir einen Menschen loslassen, weil die Wege zu unterschiedlich werden. Manchmal erfordert Liebe Distanz zum Du. Manchmal werden uns die Liebsten fremd, weil Gott selbst ein neues Kapitel startet.
Die vornehme Frau im Buch der Könige öffnet ihr Haus einem anderen Mann. Der eigene Mann ist informiert, seine Reaktion ist aber nicht überliefert. Was bedeutete die ständige Präsenz des Fremden? Hat er Angst, seine Frau zu verlieren? Der Frau war diese Beziehung so wichtig, dass sie dem fremden Mann ein eigenes Zimmer einrichtete.
Einen Menschen lieben bedeutet, eine andere Perspektive in meinem Leben zulassen und dadurch den eigenen Weg hinterfragen lassen.
Der fremde Mann ist ein Gottesbote. Das erkennt die Frau. Und tatsächlich wird die Begegnung zum Segen für die Familie. Die Frau bekommt ein Kind. Ein Happy End mit bitterem Nachgeschmack. Denn später stirbt das Kind. In der biblischen Geschichte greift darauf der Prophet ein und bringt das Kind wieder ins Leben zurück.
Manchmal geschieht ein Wunder. Doch oft genug scheint der Tod dauerhaft zu siegen. Liebe ist, zu spüren, dass die Geschichte des Lebens weitergeht.
Jesus lieben bedeutet: selbstbewusst den Weg der Ohnmacht gehen, der Leid und Tod annimmt, weil das eigentliche Leben erst noch kommt.
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