O König
aller Völker,
ihre
Erwartung und Sehnsucht;
Schlussstein,
der den Bau zusammenhält:
o
komm und errette den Menschen,
den
du aus Erde gebildet!
Ist die Erwartung enttäuscht? Jesus regiert nicht als König. Seine Jünger sind gespalten und ohnmächtig. Auch der Papst verliert an Macht und Einfluß. Kriege und Leid prägen die Geschichte der Menschheit. Ist irgendetwas besser geworden seit jenem Tag, an dem Jesus am Rande der Weltgeschichte geboren wurde? Welche Rolle haben die Christen in zwei Jahrtausenden gespielt? Christen kämpften gegen Christen. Christen erhoben das Schwert gegen andere. Das Salz hat seinen Geschmack verloren, wo Christen sich in den Dienst der Mächtigen stellten. Wo war die Feindesliebe? Wo ist nun Dein Gott? Ist es nicht einfältig, daran festzuhalten, dass dieser Tanz der Moleküle einen tieferen Sinn hat?
Für einen Messias und Sohn Gottes ist das Auftreten Jesu enttäuschend. Der König taucht unerkannt in der Menge unter und entzieht sich allen Versuchen, ihn mit weltlicher Macht zu locken. Bereits als Jesus in der Wüste war, biss sich der Versucher die Zähne aus. Er hätte nur den Teufel anbeten müssen, dann hätte er alle Reiche der Welt bekommen.
Jesus zeigt wenig Interesse daran, als göttliches Kind eindeutig identifiziert zu werden. Bei der Hochzeit zu Kana muss er von seiner Mutter zu einem Wunder gedrängt werden. Den Geheilten verbot er streng, zu erzählen, wer sie geheilt hat. Doch vielleicht sind wir auch blind. Jesus kam, um einen gordischen Knoten zu lösen, der sich über Jahrtausende gebildet hatte. Er wollte den glimmenden Docht nicht löschen. Er wollte nicht das Unkraut so jäten, dass dabei der gute Weizen verloren geht. Sein Reich ist nicht von dieser Welt. Und diese Welt vergeht. Mit ihr zerfallen die Reichen und Mächtigen zu Staub.
Hey Römer! Der seltsame Wanderprediger, der unter Eurer Herrschaft am Kreuz ermordet wurde, ist auch nach zwei Jahrtausenden noch Gesprächsstoff. Und es spricht viel dafür, dass seine Ideen noch aktuell sind, wenn keiner mehr über Euer Imperium Romanum spricht, von dem heute nur noch Ruinen existieren.
Ihr Christen und Ihr Herrscher, die Ihr seine Worte in den Mund zu nehmen wagt, sollt wissen, dass Gott selbst die Mächtigen vom Thron stürzt. Staub seid ihr alle und zu Staub werdet Ihr werden - so wie auch ich und alle, die heute gegeneinander kämpfen.
Ihr Mächtigen eines sterbenden Planeten, der in der Sonne verglühen wird und die Ihr Eure temporäre Macht mit Jesu Worten zu legitimieren wagt, hört genau zu, wie Jesus Macht versteht und ausübt.
Jerusalem ist Teil des römischen Imperiums. Israel ist besetzt und unterdrückt. Im Volk gärt es. Viele wollen endlich den brutalen Besatzer loswerden. Wann greift Gott endlich ein? Wann kommt der Messias, der als siegreicher König das Gottesvolk befreit?
Ist es Jesus? Palmsonntag erinnert die Kirche an seinen Einzug in Jerusalem. Seine Anhänger sind begeistert. Nun also endlich die Befreiung. Er kommt auf einem Esel. Das irritiert etwas. Warum nicht das Pferd? Aber vielleicht will er die Römer täuschen?
Der Einzug ist gut organisiert. Jesus scheint seine Anhänger überall zu haben. Das müssen auch die zwei Frauen denken, die er in ein Dorf nahe von Jerusalem schickt. Frauen? Jünger nennt sie die Einheitsübersetzung. Da auch Frauen zu seinen Jüngern zählten, habe ich an dieser Stelle die Freiheit, zu spekulieren, dass es Frauen waren. Für Jesus kein Problem. Für seine männlichen Jünger oft genug schon. Das beginnt bei der Frau am Jakobsbrunnen und zieht sich durch bis zu den Frauen, die seine Auferstehung verkünden. Die männlichen Jünger halten alles, was sie selbst nicht verstehen, für Weibergeschwätz.
Also: die zwei Frauen gehen und finden einen Esel angebunden und binden ihn los. Der Besitzer macht keinen Ärger, als er erfährt, dass "der Herr ihn braucht". Da ist wohl einer vorher eingeweiht worden. Jesu Netzwerk funktioniert. Das Volk strömt zusammen. Jerusalem ist (wieder einmal) in Aufruhr. Mittendrin auch die Pharisäer. Ihnen ist die Situation nicht recht. Jesus entzieht sich immer wieder den Strukturen und damit jeder Kontrolle. Man wollte ihn ja schon einmal zum König machen. Doch er entzog sich statt nach der Macht zu greifen. (Joh 6,15) Nun wollen sie, dass er seine Anhänger zum Schweigen bringt.
Wenn sie schweigen, werden die Steine schreien.
Aus weltlicher Sicht ist er kurz vor der Machtübernahme. Das scheint sich auch durch einen königlichen Wutausbruch im Tempel zu bestätigen. Bei einem Besuch dort schmeißt er die Händler hochkant raus, Matthäus, Markus und Lukas überliefern uns den Gewaltakt als Teil der Leidensgeschichte. Bei Johannes geschah das bereits zu einem früheren Zeitpunkt. Egal wann es geschah, es war ein Skandal.
Für die Tempelaristokratie war das ein Angriff auf ihre Autorität. Damit hatte er sie schon einmal zu Feinden gemacht. Aber was kümmert das einen künftigen König, wenn er sich auf den Volkswillen berufen kann.
Doch Jesus weigert sich, der Anführer einer politischen Bewegung zu werden, die die Römer aus dem Land jagt.
Als Gefangener wird er noch einmal bekennen, dass er König ist. Doch seine Regierungserklärung zielt auf eine radikale Umkehr der Machtverhältnisse, die nur dann gelingen kann, wenn jeder einzelne von uns auf Demonstrationen der Macht verzichtet und seine Talente radikal als Dienst am Du versteht:
Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. Aber so ist es unter euch nicht; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein. (Mk 10, 42 - 44)
Sein Regierungsprogramm verträgt sich nicht mit dem Machtanspruch von Diktatoren, die Gewalt und Unterdrückung mit seinen Worten zu rechtfertigen wagen. Sein Regierungsprogramm ist aber zugleich eine Zumutung für jene, die gegen Unterdrückung kämpfen.
Dieser König hat die Menschen im Blick, die schwere Lasten zu tragen haben. Er fragt nicht nach Nationen, er fragt nach den Menschen und ihrem Schicksal. Er fragt nach den Kindern, die nicht verstehen, warum der Krieg ihnen die Familie nimmt.
Macht, die wirklich andere befreit und ihnen hilft, selbständig den eigenen Weg zu gehen, ist leise und langsam. Sie reagiert nicht mit Hass auf Hass, sie bleibt ihrem eigenen Weg geduldig treu. Sie misst ihren Erfolg über Generationen.
Christen haben von Anfang an die Rede vom geduldigen Gottesknecht aus der jüdischen Überlieferung auf Jesus Christus bezogen. Es ist sein Weg. Der Weg der Liebe und Zuwendung. Der Weg, der eigenes Leid und Tod in Kauf nimmt, um anderen zu verdeutlichen, dass es eine Alternative zu Ausgrenzung, Hass und Gewalt gibt. Es ist seltsam, wie oft gerade Christen in Geschichte und Gegenwart nicht begriffen haben, was es bedeutet, den glimmenden Docht nicht zu löschen.
Klar, man kann weit kommen, wenn man die Knoten der Welt machtvoll durchschlägt,. Leider entstehen dabei neue Knoten, die vielen über Generationen auf der Seele liegen. Langfristig bringt es der Welt mehr Frieden und Recht, wenn jeder an seinem Ort mitarbeitet, langsam die Knoten zu lösen, die ungeduldige Generationen vor uns geschaffen haben.
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