Viel kann ich nicht tun. Der Blick in die Medien macht mir klar, dass es viele Nöte in der Welt gibt. In der Ukraine, Israel, Armenien und an vielen anderen Orten haben Menschen Angst und erleben ihre Ohnmacht. An den Grenzen Europas hoffen Menschen auf Rettung und Zukunft. Am Leipziger Hauptbahnhof entfliehen Jugendliche und Heimatlose in Drogen und Alkohol. In einer Wohnung weint ein verlassenes Kind. Einsam. Gerade an Weihnachten machen Hilfsorganisationen darauf aufmerksam, wo Hilfe nötig ist. Manche reagieren darauf trotzig: wir können nicht die ganze Welt retten. Manchmal wissen wir nicht einmal von der Not in der eigenen Straße. Zu oft kämpft jeder allein.
Viel kann ich nicht tun. Manchmal wird mir alles zu viel. Ich verkrieche mich unter der Bettdecke oder ziehe mich in eine stille Kirche zurück. So viele brauchen mich und Du gibst mir so wenig Kraft. Lass mich hier liegen. Andere können mehr und besser helfen. Ich fühle mich ohnmächtig und schwach. Lass mich hier allein.
Viel kann ich nicht tun. Ich denke an meine kleine Gemeinschaft zu Hause. Die Menschen, die bei mir wohnen. Ich versuche, wenigstens für diese eine Heimat aufzubauen. Wer alles loslassen musste, blickt anders auf diese Welt. Wer trotzdem in der Fremde neu Hoffnung und Vertrauen bewahrte, ist stärker als er selbst denkt. Wer teilt, was er hat, gibt nur weiter, was er einst unverdient bekam. Keiner kam allein und unabhängig in die Welt.
Viel kann ich nicht tun. Mein Leben ist zerbrechlich. Und manche, die mich begleiteten, mussten vor mir gehen. Ich bin allein. Das denke ich mir manchmal, wenn eine Krankheit mich wieder an das Bett bindet. Manchmal zwingt eine chronische Krankheit dazu, das eigene Leben anderen Menschen anzuvertrauen. Eigentlich ist das doch nicht ungewöhnlich. Wir sind auf andere angewiesen, um als Baby in dieser Welt zu überleben. Gott gab den Menschen Weisheit, um Leben durch Medikamente und Maschinen zu verlängern. Wir haben uns an das Wunder gewöhnt, obwohl wir allein durch das Wunder leben.
Viel kann ich nicht tun. Am Beginn steht die Ahnung, dass wir von Liebe getragen sind. Wo dieses Urvertrauen fehlt, wird der Weg durch die Welt schwer. Helfende kämpfen vergeblich, wo das Vertrauen zuvor bereits verloren ging. Und doch kann Liebe neue Impulse setzen. Manche Veränderung ist erst nach Jahren spürbar. Ruhe in Frieden. Dein Kampf war nicht vergeblich. Andere machen weiter, wo Du aufhören musstest. Du kämpfst nicht allein.
Viel muss ich nicht tun. Zu oft kann ich einen Menschen nicht selbst tragen. Liebe gibt die Kraft, eine Tür zu öffnen, um zu helfen. Liebe nimmt die Angst vor dem Du. In der Liebe bleiben wir wachsam, um Brücken nicht zu übersehen. Konntet ihr nicht eine Stunde mit mir wach sein? Nein Jesus. Ich war zu müde. Ich muss nicht über jede Brücke zum Du gehen. Aber ich muss andere nicht behindern, die bereit sind, das Risiko der Zuwendung einzugehen. Gehe Du Deinen Weg und hindere nicht andere, ihren Weg zu finden.Leugne nicht die Bindung zum Du, wenn Du gefragt wirst. Lass andere nicht allein.
Viel muss ich nicht tun. Manchmal reicht ein Lächeln, um den Tag eines Menschen aufzuhellen. Manchmal fehlen nur wenige Cent, um anderen den Kauf eines Brötchens zu ermöglichen. Manchmal kann eine Umarmung und ein Kuss neue Hoffnung schenken. Jede Liebe ist ein göttlicher Aufruf, sich dem Du zuzuwenden. Jeder Verliebte entdeckt im Du einen göttlichen Schatz. Entziehe Dich nicht dem Ruf. Du bist nicht allein. Ich bin bei Dir.
Viel muss ich nicht tun. In der Ehe binde ich mich an eine Person und diese bindet sich an mich. Nicht aus Eifersucht. Nicht aus Eigennutz. Es geht um den Beginn eines neuen Lebens. Sinn der Ehe ist nicht, sich gemeinsam unter der Decke vor der Welt zu verstecken. Ehe bedeutet, die nächste Generation so zu verwurzeln, dass sie - von Liebe getragen - ihre Flügel ausbreiten kann. Nicht immer gelingt das. Nicht immer bleibt das Paar in Liebe verbunden. Doch die Verantwortung für die Kinder bleibt. Ohnmächtig sehen wir den Abgrund und können nichts mehr tun. Manchmal kann auch die Gemeinschaft nicht helfen. Und doch bleibt der Funke der Hoffnung - über Leid und Tod hinaus. Du bist nicht allein. Ich bin bei Dir.
Viel muss ich nicht tun. In der Ehelosigkeit wende ich mich so dem anderen zu, dass ich ihn stärke und frei mache für die Aufgabe, in die ihn das Leben gestellt hat. Zölibat ist nicht Beziehungslosigkeit, sondern bewusste Gestaltung tiefer Beziehung, die nicht bindet, sondern befreit. Vorbild ist Jesus, der zärtliche Freundschaften pflegte und doch seinen eigenen Weg ging. Liebe ist da für den Geliebten. Liebe lässt den Geliebten los, wenn der Weg sich trennt, vertrauend auf die Kraft die uns trägt. Halt mich nicht fest! Du bist nicht allein. Ich bleibe bei Dir bis zum Ende der Zeit.
Vieles wurde mir bereits geschenkt. Weihnachten erzählt davon, dass kleine Zeichen in einem kleinen Stall große Veränderungen bringen können. Während alle auf Kaiser und Könige schauen und der Macht der Waffen vertrauen, wendet sich Gott den Ohnmächtigen zu und verändert im Kleinen den Lauf der Geschichte. Die Mächtigen stürzen. Die Schwachen finden neue Hoffnung.
Vieles wurde mir bereits geschenkt. Erzählen will ich von den Menschen, die mich am Weg begleitet und gestärkt haben. Erzählen will ich von jenen, die mit mir eine Geschichte der Hoffnung in Leipzig starteten. Erzählen will ich von denen, die heute mit mir diese Geschichte weiterschreiben und die Hoffnung weitertragen. Allein bin ich schwach. Mit Dir kann ich fliegen. Ich bin nicht allein. Du bist bei mir.
Du bist nicht allein. Ich bin nicht allein. Nie.
In uns lebt die Kraft, die uns alle trägt. Immer.
In ihr bewegen wir uns, leben wir und sind wir.
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