Nicht wenig Elend und Verwirrung kommen daher, daß wir durch eigene Schuld uns selber nicht verstehen und nicht wissen, wer wir sind. Erschiene es nicht als eine schreckliche Unwissenheit, meine Töchter, wenn jemand keine Antwort wüßte auf die Frage, wer er ist, wer seine Eltern sind und aus welchem Lande er stammt?
Teresa von Avila
Notizen zum Credo 1
Verschiedene Bereiche des Gehirns wirken bei dem Phänomen zusammen, das wir heute als Bewusstsein kennen. Wir können uns im Alltag mit der Welt beschäftigen ohne uns um die komplizierten neuronalen Prozesse zu kümmern, die im Gehirn laufen müssen, um den kleinen Finger zu bewegen. Ist das Ich also eine Illusion? Hallo Gott, willkommen im Club! Wir sind beide Illusion, oder doch nicht? Manchmal ist es gut, loszulassen. Im Kern aber habe ich nie an diesen zwei Konstanten gezweifelt: Dem Ich und dem unvergänglichen Du, dem ich in jedem vergänglichen Du begegne. Ein Sprung in den Glauben, der mich durch viele Krisen getragen hat.
Viele Areale des Gehirns müssen zusammenwirken, um das Ich ins Bewusstsein zu rücken. Unser vertrautes Ich scheint ebenso durch die Finger zu gleiten wie die Vorstellung von Gott. Und doch prägen die vielen Menschen mit ihrem individuellen Ich die Welt. Die Gemeinschaft trägt das Ich. Ein konkreter Körper mit konkreter Geschichte entsteht, wandert durch die Zeit und verschwindet wieder in der Ewigkeit. Forscher suchen nach Wegen, den Körper länger am Leben zu halten. Mensch und Technik wirken zusammen, wenn Organe versagen. Es gibt ein gemeinsames Bewusstsein dafür, dass wir für andere verantwortlich sind. Du willst, dass Ich bin. Du willst, dass Ich bleibe. Ich lebe weiter, weil Ich Verantwortung für das Du habe. Gleichzeitig müssen wir das Du loslassen. Jeder hat seinen eigenen Weg. Jeder hat seine eigene Aufgabe. Wir gehen ein Stück des Weges zusammen. Im Tod müssen wir entgültig loslassen. Doch Erinnerung und Sehnsucht bleiben. Gemeinsame Verantwortung für das Du bleibt.
Das Ich begegnet zuerst seiner leiblichen Mutter, die es nur wahrnimmt, aber nicht sieht. Entstanden sind wir alle biologisch aus der Verschmelzung von Chromosomen von zwei Personen: Vater und Mutter. Im katholischen Ideal ist diese Verschmelzung von Liebe getragen. Im katholischen Ideal bleiben Vater und Mutter verbunden und verantwortlich für das entstehende Ich. Die Realität entspricht oft nicht der Regel. Mancher Weg ist irregulär. Viele andere Menschen übernehmen Verantwortung für das Ich. Das Ich antwortet darauf. Das Ich formt sich dadurch.
Loslassen ist Teil des menschlichen Weges. Das Ich entsteht im Loslassen.
Das unverwechselbare Ich entsteht aus verschiedenen Arealen des Gehirns. In uns hören wir viele Stimmen, die wir zusammenführen müssen. Manchmal ist das verwirrend. Bin Ich Viele? Ein Parlament der Stimmen? In uns tobt der Sturm. Wir müssen in uns selbst hören, um zur Ruhe zu kommen. In der Stille begegnen wir uns selbst. Wir brauchen eine Vorstellung von uns selbst, um in dieser Welt zu wirken. Wir werden Teil einer gemeinsamen Geschichte von Menschen. Die gemeinsame Geschichte trennt Gruppen. Gelingt eine Brücke? Zerbricht das gemeinsame Bewusstsein der Menschen an dem Sturm der Grupppeninteressen?
Um uns hören wir viele Stimmen, auf die wir reagieren müssen. Welcher Stimme vertrauen wir? Welcher Stimme dürfen wir vertrauen? Welche Stimme ist uns seltsam vertraut? Misstrauisch blicken wir uns um. Menschen und Institutionen enttäuschen. Gibt es ein Du, das uns immer liebt?
Natürlich, sagt das Liebespaar. Auf keinen Fall, sagt der Verlassene und Einsame. Es gibt kein Herz, das mich immer liebt, sagt Therese von Lisieux und findet das göttliche Du.
Wir suchen nach Sinn für unsere Existenz.
Wir sind Suchende. Und die Suche ist noch lange nicht beendet. Weder für den einzelnen, noch für die Menschen. Wir sollten nie so tun, als hätten wir etwas abschließend gefunden und verstanden. Es gibt immer mehr Fragen als Antworten.
Im Dialog mit dem Du versuchen wir zu ergründen, ob diese Welt doch mehr ist als ein Tanz von Molekülen am Rande des Nichts.
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