· 

Wir aber predigen Christus

Sich an Christus halten, das kann man nicht, ohne ihm zugleich nachzufolgen.

Edith Stein

Notizen zum Credo 10

Aus dem Stamm David. Löwe. Markkleeberg.
Aus dem Stamm David. Löwe. Markkleeberg.

Ich weiß, dass ich nichts weiß. 

Sokrates erkannte, dass die wahre Weisheit in dem Bewusstsein über das eigene Nichtwissen liegt. Es ist wichtig, immer wieder die eigenen Gewissheiten in Frage zu stellen. Das gilt erst recht, wenn ich mich auf die Suche nach dem absoluten Du begebe. Das Bilderverbot ist ein Aufruf, hinter die Bilder zu blicken. 

Jesus ist der Christus. 

Die Urchristen identifizierten Jesus von Nazareth mit dem Messias. Christus ist dazu die Übersetzung. 

Das Bild trifft aus christlicher Sicht das Wesen Jesu. 

Das Bild kann aber den Blick auf Gott verdecken. 

Wir müssen von der Hoffnung reden, die uns erfüllt. 

Wir müssen so von unserem Glauben reden, dass deutlich wird, wofür Jesus Christus steht. 

Auf der Suche nach dem absoluten Du haben Christen einen wertvollen Schatz entdeckt. Sie sind nicht Herren des Schatzes und sie sind nicht Herren über den Glauben anderer. Sie sind Diener der Freude daran, dass es Hinweise auf ewigen Sinn gibt. 

Die Christen sind nur zerbrechliche Gefäße. Prüft alles, behaltet was gut tut und geht gestärkt weiter durch diese Welt. 

Niemand bleibt bei einem Wegweiser stehen. 


Dieser Jesus erfüllte mit seinem schmachvollen Tod am Kreuz nicht die Erwartungen an einen Retter Israels. Schriftgelehrte und Theologen konnten nicht auf das vorbereitet sein, was die Christen kurz nach dem Tod verkündeten. 

Jesus ist der Christus. 

Jesus ist der siegreiche Löwe aus Juda. 

Jesus ist nicht gescheitert.

Jesus musste diesen Weg gehen. 

Der Weg in die Ohnmacht war aus göttlicher Logik alternativlos. 

Christen sind berufen, nachzufolgen. 

Nachfolge gelingt nicht, wenn wir andere in die Ohnmacht schicken. 

Nachfolge bedeutet, selbst in die Ohnmacht zu gehen. 


Musste nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen? [Lk 24,26] 

Es geht um Erfahrung.

Die Christen erleben, dass die Geschichte weitergeht. Konkret. Nicht symbolisch. Unerwartet.

Seine Auferstehung preisen wir. 

Die Frauen berichten das den ungläubigen Aposteln.

Er lebt.

Auch Paulus macht diese Erfahrung. 

Bei ihm überrascht es besonders.

Er hat doch die Christen verfolgt.

Und nun verkündet er besonders vehement Christus.

Er widerspricht sogar den Säulen der Gemeinde.

Sein Gehorsam gilt Jesus.

Wer wurde denn tatsächlich erwartet? Was wurde vom Messias erwartet?

Aus den frühjüdischen Quellen lässt sich schließen, dass eine königliche Herrschergestalt erwartet wurde. Die zukünftige, politisch-nationale Herrschaft in Israel ruht auf seinen Schultern. 

Der Messias ist aber auch Repräsentant Gottes. Er partizipiert an Gottes Macht und verkörpert auch übernatürliche Macht, Heiligkeit, Weisheit und Gerechtigkeit.

Gewaltherrschaft und politischen Unterdrückung waren der traurige Alltag unter der Herrschaft Roms. Die ideale Friedensherrschaft bildete dazu das sehnsüchtig erwartete Kontrastprogramm. 

Der Messias sollte aus der Dynastie des Königs David kommen und sich kraftvoll durchsetzen. 

Ist Jesus der Messias?


In Mt 16,16 wird Petrus eine Antwort liefern, die gleichzeitig richtig und falsch ist: 


Da antwortete Simon Petrus: »Du bist der Christus, der von Gott gesandte Retter! Du bist der Sohn des lebendigen Gottes.«


Jesus bestätigt die Antwort. Sie ist nicht falsch und führt doch zu falschen Bildern. Jesus weiß, dass mit dem Begriff Erwartungen verbunden sind, die nicht zu seinem Plan passen. 

Der Bestätigung folgt das Verbot. 


Doch er verbot ihnen streng, es jemand weiterzusagen. [Lk 9,21]


Petrus selbst begreift das Bild ebenfalls nicht.

Der Messias leidet und stirbt? Das darf nicht geschehen!


Jesu Handeln hat messianische Züge, doch sein Ziel ist nicht eine kurzfristige politische Macht. Jesus entzieht sich, als die Menge ihn zum König machen will. Sein Reich ist tatsächlich nicht von dieser Welt. Sein Weg zeigt, wie die Menschen langfristig die Spirale vom Hass und Gewalt stoppen können.

In der konkreten Not bringt Jesus keine sichtbare Befreiung. Jesus ist Christus, aber er ist nicht der erwartete politische Messias. 

Seit Jahrtausenden geht die Menschheit den Weg über Macht und Gewalt.

Auch die Christen übten im Lauf der Zeit Macht und Gewalt aus. Es ist für die Kirche und für jeden von uns nicht leicht, sich der Spirale zu entziehen. 

Wie oft habe ich selbst darunter gelitten, dass Mächtige Gewalt anwenden können ohne dass jemand dagegen einschreitet?

Ich warte darauf, dass ganz konkret die Mächtigen vom Thron gestürzt werden und die Ohnmächtigen Raum zum atmen und leben finden. 

Jesus steht in der Tradition der Könige David und Salomon, die Gewalt angewendet haben. Jesus sagt sich von dieser Tradition nicht los. Und doch zeigt Jesus eine Alternative zu einer Macht, die immer neue traumatische Erfahrungen auslöst. 

Macht und Gewalt bringen der Welt keinen Frieden. 

In der Wüste entzieht sich Jesus der Versuchung, durch Macht und Einfluss die Welt kurzfristig zu ändern. [Lk 4,1-13]

Seine Aufgabe ist anders. 

Die Aufgabe seiner Jünger ist anders. 

Der Ort der Nachfolge Jesu ist die Ohnmacht. 

Es ist nicht leicht für die Kirche, sich aus den Verstrickungen von Macht und weltlichem Einfluss zu befreien. Salz der Erde und Licht der Welt kann sie glaubwürdig aber nur sein,  wenn sie selbst ohnmächtig ist. 

Es reicht nicht, die eigenen Ämter und Handlungen als Dienst zu verstehen. 

Es darf nicht passieren, dass Christen andere in die Ohnmacht schicken. 

Als Jude findet Jesus im leidenden Gottesknecht sein Bild: 

Jesus geht den Weg von Leid und Tod, um den Menschen einen Weg aus der Spirale zu zeigen. Als leidender Gottesknecht stirbt Jesus für die Vielen. Der Tod des Unschuldigen, der freiwillig für seine Überzeugung in den Tod geht, öffnet die Augen. 

Wer nach einem Schuldigen für diesen Tod sucht, verlässt die Nachfolge Jesu. 

Jesus lehrte die Liebe. 

Die Christen sind in ihrer Geschichte an den Brüdern und Schwestern Jesu schuldig geworden, weil sie in ihrer Theologie Antijudaismus zugelassen und gefördert haben.


Die heutige Karfreitagsfürbitte für das bleibend auserwählte Volk unterstreicht die tiefe Beziehung der Juden zum absoluten Du, für die Christen lange Zeit blind waren: 


Lasst uns auch beten für die Juden, zu denen Gott, unser Herr, zuerst gesprochen hat: Er bewahre sie in der Treue zu seinem Bund und in der Liebe zu seinem Namen, damit sie das Ziel erreichen, zu dem sein Ratschluss sie führen will.


Nachfolge Jesu bedeutet nicht, andere in die Ohnmacht zu schicken. 

Nachfolge Jesu bedeutet, selbst in die Ohnmacht zu gehen. 

Christen beanspruchen den letzten Platz, um den Niedrigen aufzurichten. 

Es darf in der Kirche kein Amt geben, das Macht über andere ausübt.

Wer der Größte sein will, soll der Diener aller sein. Jesus stellte ein Kind in die Mitte. Damit war alles gesagt. Macht hat keinen Platz in seiner Kirche.

Die Realität ist oft anders. Das Salz hat für viele seinen Geschmack verloren. 


Und doch:


Die Welt wartet sehnsüchtig auf Menschen, die in ihrem Alltag geduldig den gordischen Knoten lösen statt neu Wunden zu schlagen. [Röm 8,19]


Wir müssen neu lernen, uns gegenseitig zu lieben und anzuerkennen. 


In Demut schätze einer den andern höher ein als sich selbst. [Phil 2,3]


Die jüdische Holocaust-Forscherin Eva Gabriele Reichmann brachte es auf den Punkt: 


Warum sind seit eh und je die Juden als Christusmörder bezichtigt, aber nicht als Christusgeber gepriesen worden? Liegt dem nicht die niederdrückende Tatsache zugrunde, daß die Menschen – zumal in Gruppen zusammengeschlossen – lieber hassen als lieben, lieber schmähen als anerkennen?“

Kommentar schreiben

Kommentare: 0