Sender und Empfänger

  • Einen Gott, der sich für mich so klein gemacht hat, kann ich nicht fürchten. Ich liebe ihn, denn er ist lauter Liebe und Barmherzigkeit.
  • Therese von Lisieux

Notizen zum Credo 16

Eine Melodie beginnt. Irgendjemand beginnt zu singen. Natürlich braucht es einen Träger der Melodie. Doch wichtiger als das Instrument ist die Melodie. 

Eine Melodie beginnt. Sie findet einen Hörer. 

Vor Raum und Zeit. 

Kein einsamer Gott, der Gesellschaft braucht.

Er selbst ist Gemeinschaft. 

Er selbst ist der unendliche Ozean, an dessen Ufer unser Bewusstsein spielt. 

Ohne Du ist das Ich eine einsame Seele.

Erst wenn das Du geht, wird uns die Wahrheit bewusst. Wir sind Ebenbild eines ewigen Bewusstseins, das selbst nicht ohne ewiges Du sein kann. 

Eine Melodie endet. Irgendwann stehen wir vor dem kalten Körper und merken, dass die Melodie verstummt ist. Wir erinnern uns. In unserem Bewusstsein bleibt die Melodie. Wir sind allein und doch in Gemeinschaft. Wir spüren die Leere und zugleich die Präsenz des geliebten Du. 

Wir fahren zu den Orten, die uns mit dem Du verbinden. Wir lesen die Texte und weinen. In der Fußgängerzone hören wir eine Stimme. Wir lauschen und erahnen den Klang der unverwechselbaren Stimme, die neu anfängt. Nichts ist verloren. Alles wird verwandelt. 

Mitten im Alltag gibt es Momente, in denen wir spüren, dass wir Teil des Ozeans sind. Wir sind nicht allein. Wir sind getragen. Die Tür ist nur angelehnt.

Musik erzählt von einer anderen Dimension des Verlangens und des Ersehnens. 

Die Liebenden finden den Schatz im zerbrechlichen Gefäß des Du.

Mitten im Alltag blicken wir in die Augen eines geliebten Du und spüren, dass die Einsamkeit nicht unsere Bestimmung ist. 

Mitten im Alltag geht der Blick auf den Schatz verloren. Wir öffnen die Augen und erkennen, dass wir nackt sind. So hatten wir uns das nicht vorgestellt. Der Blick auf das Instrument verstellt den Blick auf das Ziel unseres Weges. Im Loslassen gewinnen wir das Leben. 

Der Mensch ist ein Beziehungswesen. Wenn das Du fehlt, verkümmern wir. Natürlich gibt es Menschen, die gerne allein sind. Natürlich verschließe auch ich mich gerne vor der Welt. Aber natürlich lebe ich auch von jedem Wort, jeder Begegnung und jeder Berührung, die mir sagt, dass ich nicht ganz allein unterwegs bin. 

Und doch ist all das nur das Instrument, um die Melodie neu zu hören. 


Noch einmal ist wichtig, zu sehen, dass im Credo Bilder verwendet werden, um von Erfahrungen zu sprechen, die Menschen mit Jesus Christus verbinden. 

Am Beginn des Hebräerbriefes wird seine Beziehung zu Gott unterstrichen. In Jesus Christus begegnet dem Schreiber die Gegenwart Gottes, denn

"er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Abbild seines Wesens; er trägt das All durch sein machtvolles Wort, hat die Reinigung von den Sünden bewirkt und sich dann zur Rechten der Majestät in der Höhe gesetzt." [Hebr 1,3]  

Jesus Christus ist aus der Sicht des Verfassers des Hebräerbriefes mehr als ein Engel:

"Denn zu welchem Engel hat er jemals gesagt: Mein Sohn bist du, / heute habe ich dich gezeugt, und weiter: Ich will für ihn Vater sein, / und er wird für mich Sohn sein?" [Hebr 1,5]


Zitiert wird hier ein Psalm. In der Erfahrung von Ostern werden die Psalmen zum Gebet Jesu. Der Psalm 2 hatte ursprünglich den König im Blick. 


«Ich selber habe meinen König eingesetzt / auf Zion, meinem heiligen Berg.»

Den Beschluss des Herrn will ich kundtun. / Er sprach zu mir: «Mein Sohn bist du. / Heute habe ich dich gezeugt.

[Ps 2,6-7]


Der König ist von Gott eingesetzt.

Das ist eine erstaunliche Erkenntnis, wenn man bedenkt, dass Gott zunächst eigentlich selbst der König seines Volkes war. 

In der Frühzeit führten Richter das Volk im Kampf gegen Feinde. Doch das Volk wollte Könige. Die Nachbarvölker hatten auch Könige. [1 Sam 8]

Samuel warnt das Volk. Könige haben Macht. Nicht immer nutzen sie ihre Macht zum Wohl des  Volkes.

Doch am Ende geht Gott den Weg mit, den das Volk wählt.  

So war es auch mit dem Tempel. 

Gott gehört der Erdkreis. Warum also sollte es einen speziellen Ort geben, der ihm gewidmet wird?

Und doch brauchen Menschen Orte, an denen das Ewige in der Zeit sichtbar wird. 

Tatsächlich kann die kleinste Kammer zum Tempel werden. 

Tatsächlich kann in jedem Tempel Gottes Spur unenntdeckt bleiben. 


Die Christen lesen die Texte des Alten Testaments nicht historisch-kritisch. Stattdessen lesen sie die Texte und fragen, wo ihr Herz brennt. Ihr Herz brennt, wo sie die Spur des Geliebten neu entdecken. 


Es führt in die Irre, wenn nun vermutet wird, Gott habe Jesus im menschlichen Sinn "gezeugt". Bereits beim Begriff Vater habe ich betont, dass wir eigene Vorstellungen loslassen müssen. Das Verbot von Bildern macht natürlich Sinn. Ich erlebe im Alltag, dass Bilder vom Du die Begegnung mit dem Du verhindern können. 

Wir sitzen in der Straßenbahn und verweigern die Begegnung mit Menschen, weil wir vergessen haben, dass wir alle aus der gleichen Quelle kommen. 

Auch die Begegnung mit dem absoluten Du wird durch Bilder verhindert. Trotzdem ist es unvermeidbar, in Bildern von tiefen Erfahrungen zu schreiben. 

Dem Bedürfnis nach Liebe und Bindung steht das Bedürfnis nach Autonomie und Individualität gegenüber. Beides ist in unterschiedlicher Ausprägung bei allen Menschen vorhanden. Mit Blick auf meine Erfahrung mit Katzen und Hunden würde ich dies sogar auf Tiere ausweiten. 

Der Begriff der Zeugung führt uns zum Bild des göttlichen Vaters zurück. 

Der Vater trägt die Hälfte der Informationen für die Entstehung des neuen Lebens bei. 

Der göttliche Vater ist Sender einer jenseitigen Information, die Resonanz im Du des göttlichen Sohn findet. 

Senden und Empfangen der Information ist das Wesen der Welt, in der wir kurz eintauchen. 

Der Gezeugte tritt als Zeuge von Ursprung und Ziel der Welt auf. 

Nicht geschaffen. 

Der Mensch hat vieles geschaffen. 

Beeindruckend sind die vielen Dinge, die in den letzten Jahrzehnten entstanden, um Leben zu ermöglichen und zu erleichtern. 

Nichts von dem, was der Mensch geschaffen hat, wird er am Ende behalten. Alles wird verglühen, wenn die Erde in der Sonne verglüht.

Alles zerfällt, wenn der Körper zerfällt.

Die Melodie verstummt.

Wichtiger als die Materie ist das Wort. Und dieses Wort wird gesprochen und gehört.

Wir sind als einsamer Samen in die Dornen der Materie geworfen. Finden wir in der Dunkelheit die Spur des Du?

Finden wir die Kraft, anderen in der Dunkelheit Licht zu sein?

Kurz halten wir die Hand und schenken Nähe. Liebe rief uns in die Existenz. Nun geben wir Liebe weiter und lassen los. 

Wichtiger als das Sichtbare ist das Unsichtbare. 

Auf der Suche nach dem Ursprung und dem Ziel des Lebens tasten wir uns in Bildern durch den Alltag. In Jesus Christus wurde etwas sichtbar. Ein Licht brach durch die Wolken. Eine Melodie erzählte von einer anderen Wirklichkeit. 



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