Zwischen Versuchen und Träumen liegt der Himmel.
Barbara Sommerer
Notizen Zum Credo 21
2004 war ein ruhiges Jahr. Ein Jahr zuvor hatten Martina und ich geheiratet. Im August 2003 fand zudem die Transplantation der Niere meiner Mutter statt. Ich arbeitete beim Benno-Verlag. Es schien so als wäre ich auch beruflich angekommen. Himmlische Routine, aber irgendwie auch langweilig. Das fanden wir beide: Martina und ich suchten nach neuen Herausforderungen.
Wir wollten spüren, dass wir das Leben tatsächlich auf unsere eigene Weise leben und wir wollten die Liebe weitergeben, die wir erfahren hatten.
Vielleicht hätten wir lieber einfach glücklich sein sollen? Stattdessen stürzten wir uns in das Abenteuer von zwei Adoptionen.
Vielleicht hatten wir keine wirkliche Wahl? Vielleicht mussten wir so handeln?
Der Mensch sucht Ruhe, erträgt aber auf Dauer nicht die Stille. Er will neue Geschichten schreiben.
Die biblische Geschichte von der Vertreibung aus dem Paradies ist auch eine Geschichte der Sehnsucht nach Überschreiten der eigenen Grenzen.
Die biblische Geschichte vom Sohn, der sich sein Erbe auszahlen lässt und die Sicherheit des Hauses verlässt ist eine Geschichte von Sehnsucht nach neuen Erfahrungen.
Das absolute Du ruht nicht vollkommen in sich selbst. Es sucht nach neuer Erfahrung.
Das absolute Du ist Gemeinschaft und stiftet Gemeinschaft, um eine neue Geschichte zu schreiben.
Wir schreiben an dieser Geschichte mit.
Beim Turmbau von Babel versucht die Menschheit dadurch zum Himmel zu kommen, dass monolithische Einheit in Sprache und Kultur gesucht wird.
An Pfingsten bleibt die Vielfalt, stellt sich aber in den Dienst des Du.
Ich verlasse den Himmel, um mit neuen Erfahrungen zurückzukommen. Manchmal werde ich mich verbrennen. Manchmal werde ich anderen ungewollt auf die Füße treten. Doch es gibt immer wieder einen Spalt in der Tür zum Himmel. Das Paradies ist nicht mehr verschlossen, weil Jesus Christus die Tür geöffnet hat.
Mitten im Leben erfahren viele von uns Momente des Himmels: die Begegnung mit einem Menschen, der uns liebt, eine Wanderung in der Natur, ein Neuanfang nach einer schweren Krankheit.
Die Geschichte mit ihren Höhen und Tiefen beginnt dort, wo wir den himmlischen Moment verlassen.
Der Himmel ist der Ort der Zeitenstille. Hier erleben wir Erfüllung, aber wir schreiben dort nicht an unserer Geschichte und entwickeln dort kein Bewusstsein. Das Bewusstsein entwickelt sich in der Begegnung mit Raum und Zeit.
Was in der Geschichte mit und durch uns passiert, wie wir auf Reize reagieren, all das tragen wir am Ende in die Zeitenstille ein.
Im Paradies ist alles perfekt. Doch die eigentliche Geschichte der Welt beginnt in der brüchigen Welt.
Die Jünger Jesu wollen am Berg bleiben. Gerne würden sie den Alltag meiden. Doch die Idee mit den drei Hütten wird abgelehnt.
Petrus will die Gemeinschaft mit Jesus bewahren. Er will nicht, dass die Zeit der Wanderung endet. Doch Petrus wird scharf zurückgewiesen. Jesus geht in das Leid. Dort sieht er seine Aufgabe.
Halte in diesem Leben nichts fest. Genieße den Moment, aber gehe den nächsten Schritt.
Lass den Himmel wieder los und geh hinaus in die Welt.
Wer die Erinnerung an den Himmel und die Liebe im Herzen trägt, kann den Himmel und die Liebe anderen bringen ohne sich festhalten zu lassen oder andere festzuhalten.
O
wahrhaft heilbringende Sünde des Adam,
du
wurdest uns zum Segen,
da
Christi Tod dich vernichtet hat.
Mit diesen Worten blickt das österliche Exultet auf den Sündenfall zurück. Das Paradies kennt nicht die Gottesferne, aber es enthält die Tür zur Gottesferne. Heilbringend ist die Erfahrung der Trennung dann, wenn die Dunkelheit der menschlichen Existenz zum Lernort wird.
Der Himmel verändert sich durch die bewusste Erfahrung der Trennung vom absoluten Du.
Am Kreuz taucht Jesus Christus in die Ohnmacht ein, die vom Gefühl der Verlassenheit geprägt ist.
Der Auferstandene ist auch an seinen Wunden erkennbar, die nicht einfach verschwinden.
Der Auferstandene ist zudem am Brotbrechen erkennbar, weil diese Geste typisch für ihn war. Es ist seine Signatur, in der sich seine Zuwendung zum Du ausdrückt.
Schuld und Sünde prägen die Existenz des Menschen, weil wir weder uns selbst noch die Menschen um uns jemals wirklich verstehen können. Es bleibt eine grundlegende Einsamkeit und Fremdheit, die erst wieder im Tod aufgehoben wird.
Wir bleiben Suchende.
Wir begegnen Menschen und erkennen zu spät ihre Bedeutung für uns.
Wir halten fest, wo wir loslassen müssten.
Wir lassen los, wo unser Mittragen gefragt wäre.
Wir setzen Talente ein, können aber nicht immer sicher sagen, ob wir auf Resonanz stossen oder nur Dornen finden.
Manchmal werden wir selbst dem Du zu Dornen.
Manchmal würden wir uns gerne vergraben.
Es ist zu dunkel.
Es gibt Menschen, die mit großem Selbstbewusstsein durch die Welt gehen und zu wissen glauben, was falsch und richtig ist.
Besonders fromme Menschen glauben manchmal, sie hätten eine Klarheit, die anderen fehlt.
Doch der Gottsucher bleibt zurückhaltend. Ich weiß nicht, was Dein Weg ist. Ich kann nur von meinen Entdeckungen erzählen und auf Deine Erfahrungen hören.
Richtet also nicht vor der Zeit; wartet, bis der Herr kommt, der das im Dunkeln Verborgene ans Licht bringen und die Absichten der Herzen aufdecken wird. Dann wird jeder sein Lob von Gott erhalten. [1 Kor 4,5]
So schreibt Paulus seiner Gemeinde. Das Thema durchzieht die Bibel. Der Mensch ist froh, wenn er in der Dunkelheit seiner Existenz bestimmte Leitlinien erkannt hat. Das gibt Halt. Doch ich kann nicht wissen, ob meine Landkarte zum Himmel auch für Dich hilfreich ist.
Wir plagen uns ab und arbeiten mit eigenen Händen; wir werden beschimpft und segnen; wir werden verfolgt und halten stand.[1 Kor 4,12]
Fern vom Himmel ist es unsere Aufgabe, unsere Fähigkeiten für die Menschen einzusetzen, um die Welt zu gestalten und die Spur des Himmels sichtbar zu machen.
Herabgestiegen vom Himmel hält Jesus Christus die Hoffnung auf Himmel dort lebendig, wo Ohnmächtige unter den Dornen der Existenz leiden.
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