Er gibt sich mit meinen schwachen Bemühungen zufrieden.
Therese von Lisieux
Notizen Zum Credo 22
Sehr geehrter Jesus Christus!
Ich habe verstanden. Andere haben nichts verstanden. Ich habe für mich die Welt so gedeutet, dass es für mich passt. Ich habe selbst Leid und Schmerz erfahren. Ich war in der Wüste und darf daher reden. Ich habe mit anderen gesprochen, die Leid und Schmerz erfahren haben. Und ich habe die strukturellen und individuellen Ursachen erkannt. Ich war in Gremien und Kommissionen. Nun habe ich eine klare Idee, was geschehen muss, um Leid und Schmerz zukünftig zu verhindern. Wer das nicht so wie ich sieht, will das Leid fortschreiben. Anders kann es garnicht sein. Wer das nicht so sieht, will verschleiern, was passiert ist. Und natürlich wäre es für die Welt am besten, meine Deutung zu übernehmen. Es ist der einzig richtige Weg. Reisst das Unkraut aus!
Wie bitte, Jesus? Ich habe versehentlich auch Weizen vernichtet? Das war jetzt aber nicht so geplant. Du hattest davor gewarnt, ich weiß. Aber ich wollte doch die Welt besser machen. Und nun gibt
es neue Verletzungen. Vielleicht hätte ich lieber mit der kritisierten Person erst unter vier Augen sprechen sollen? Ja, ich weiß, genau das hattest Du empfohlen. Entschuldigung.
Mit freundlichen Grüßen
Dein
Papst Franziskus fällt leider immer wieder dadurch auf, dass er Schimpfwörter nutzt und sich abfällig über bestimmte Menschen äußert. Das geschieht zwar meist im privaten Kontext, trotzdem ist das Entsetzen immer wieder groß.
Tatsächlich sagte ein Freund des Papstes, dass Franziskus selbst um dieses Problem weiß. Er habe eine lose Zunge und rede oft, ohne nachzudenken.
Bereits Paulus leidet darunter, dass er tut, was er nicht will und unterlässt, was er eigentlich tun will.
Denn ich begreife mein Handeln nicht: Ich tue nicht das, was ich will, sondern das, was ich hasse. [Röm 7,15]
Ich stoße also auf das Gesetz, dass in mir das Böse vorhanden ist, obwohl ich das Gute tun will. [Röm 7,21]
Was uns Halt und Sicherheit gibt ist nicht in uns. Wir selbst sind brüchig. Weder kennen wir uns selbst wirklich noch verstehen wir wirklich unser Handeln. Therese von Lisieux setzt daher ganz auf das absolute Du. Der Körper zerfällt. Unsere Kämpfe enden im Tod. Wir sollen uns nicht mit Sorgen belasten.
Glück finden wir nicht in den Dingen, die wir krampfhaft festhalten, sondern in den Dingen, die wir loslassen.
Gott selbst lässt los. Diese Welt, in der wir leben, ist entstanden, weil Gott einen Freiraum geschaffen hat.
Loslassen bedeutet aber nicht wegwerfen oder vergraben. Das Unsichtbare ist am Ende wichtiger. Materieller Reichtum belastet langfristig. Im Video zu Material Girl steigt Madonna in den Wagen eines Mannes, der auf teuren Schmuck verzichtet, sondern Blumen schenkt.
Wie könnten wir negativ über den Körper denken und reden, der uns überhaupt erst ermöglicht, diese Welt und den anderen wahrzunehmen?
Gott bleibt nicht in kritischer Distanz. Er wird immer wieder erfahrbar.
Gott begegnet und beruft gerade dort, wo Menschen sich der eigenen Ohnmacht bewusst sind.
Die Berufung des König David ist dafür ein schönes Beispiel:
Samuel wird aufgefordert, einen neuen König zu salben, während Saul faktisch noch an der Macht ist. Doch seine Tage sind gezählt. Doch gerade strauchelnde Herrscher sind besonders gefährlich. Und so hat auch Samuel Angst. Doch er erfüllt den Auftrag und geht zu Isai.
Gott empfiehlt eine Ausrede zu nutzen, um Saul nicht zu verärgern. Es ist eine Verschleierung der eigentlichen Absicht, um den göttlichen Auftrag umzusetzen:
Samuel erwiderte: Wie kann ich da hingehen? Saul wird es erfahren und mich umbringen. Der Herr sagte: Nimm ein junges Rind mit und sag: Ich bin gekommen, um dem Herrn ein Schlachtopfer darzubringen. [1 Sam 16,2]
Samuel lässt sich die Söhne von Isai zeigen.
Stattlich und schön sieht der älteste Sohn aus. Doch er wird nicht gewählt:
Der Herr aber sagte zu Samuel: Sieh nicht auf sein Aussehen und seine stattliche Gestalt, denn ich habe ihn verworfen; Gott sieht nämlich nicht auf das, worauf der Mensch sieht. Der Mensch sieht, was vor den Augen ist, der Herr aber sieht das Herz. [1 Sam 16,7]
David ist der jüngste Sohn. Auch er wird als schön bezeichnet. Doch der Blick geht auf das Herz.
Vielleicht war auch Jesus schön. Ich habe da Zweifel. Er wird im Bild des leidenden Gottesknechts erkannt, der gerade dadurch charakterisiert wird, dass er keine schöne Gestalt hat.
Gerade Menschen mit Verwundungen und Verletzungen haben einen anderen Blick auf die Welt. Sie freuen sich an den materiellen Dingen, wissen aber um die Vergänglichkeit.
Dieser brüchige Körper ist in der Lage, den Ursprung und das Ziel zu erahnen.
Die Christen entdeckten in Jesus Gottes unverfälschte Spur.
Und zugleich war Jesus Christus kompromisslos Teil unserer Welt. Kein Scheinleib. Wirklich in Fleisch und Blut anwesend.
Sie kennen die eigenen Fehler und Schwächen und urteilen daher oft nicht so hart. Sie wissen um die Gefahr, mit dem Unkraut auch wertvollen Weizen auszureissen.
Zu den Eigenarten dieser Existenz in Fleisch und Blut gehört, dass wir einander brauchen. Niemand kommt unabhängig und frei in die Welt. Und wir brauchen immer wieder die helfende Hand des Du, besonders in Not und Krankheiten und am Ende des Lebens.
Einer trage des anderen Last; so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. [Gal 6,2]
Zu den Eigenarten des Lebens gehört, dass wir immer genau zu wissen glauben, was andere besser machen könnten. Paulus sieht die Ermahnung des Du als Gratwanderung:
Wenn einer sich zu einer Verfehlung hinreißen lässt, meine Brüder, so sollt ihr, die ihr vom Geist erfüllt seid, ihn im Geist der Sanftmut wieder auf den rechten Weg bringen. Doch gib Acht, dass du nicht selbst in Versuchung gerätst. [Gal 6,1]
Der glaubwürdige Zeuge Gottes nutzt nicht sichtbare Vorzüge, um andere für sich oder die eigene religiöse Gruppe zu gewinnen.
Das irritiert Menschen, die Gottes Spuren dort vermuten, wo Menschen machtvoll auftreten.
Als ich zu euch kam, Brüder, kam ich nicht, um glänzende Reden oder gelehrte Weisheit vorzutragen, sondern um euch das Zeugnis Gottes zu verkündigen.
Denn ich hatte mich entschlossen, bei euch nichts zu wissen außer Jesus Christus, und zwar als den Gekreuzigten. Zudem kam ich in Schwäche und in Furcht, zitternd und bebend zu euch. [1 Kor 2,1-3]
Paulus betont nicht nur seine eigene Ohnmacht. Er verkündet auch Jesus Christus am Punkt seiner größten Ohnmacht. Diese Perspektive hat auch in die Liturgie Eingang gefunden:
Deinen Tod, o Herr, verkünden wir!
Deine Auferstehung preisen wir!
Wer sich von der Ohnmacht und den Schattenseiten des Du nicht irritieren lässt, entdeckt im Du die Spur des absoluten Du.
Verliebte wissen, dass am Du oft zuerst der Schatz entdeckt wird. Das Ende der Liebe kommt, wenn der Blick auf die Schatten irritiert. Es ist wichtig, den ganzen Menschen zu sehen.
Ist der Schatz so wertvoll, dass ich auch die Schatten ertrage? Oder hindert mich der andere daran, selbst aufzublühen und den eigenen Weg in der Welt zu finden?
In gleicher Weise gilt das für jede Gemeinschaft und Institution...auch für die Kirche.
Was hält mich? Ist für mich der Schatz noch sichtbar? Wachse ich über mich heraus? Oder renne ich immer wieder gegen Mauern an und fühle mich in meiner Berufung nicht angenommen? Bleibe ich, weil ich hier meine Aufgabe sehe oder kann ich mehr bewirken, wenn ich Ort und Menschen wechsle?
Jeder findet darauf seine eigene Antwort.
Manchmal gelingt es, dem Du zu helfen, die Dornen einer Institution, einer Gemeinschaft oder Beziehung erträglicher zu machen.
Manchmal hilft ein Blickwechsel, um neue Wege zu entdecken, die noch keiner entdeckt hat.
Manchmal ist es gut, zu gehen.
Manchmal ist es nicht möglich, zu gehen, aber ich kann dazu beitragen, den glimmenden Docht nicht zu löschen. Ich kann einen Frieden geben, den die Welt nicht geben kann.
Nein, das ist kein frommes Geschwätz. Das ist die Erfahrung der ersten Christen, die für ihren Glauben bereit waren, die Ohnmacht des Körpers bis in den Tod zu ertragen. Sie wussten im Herzen:
Am Ende siegt das Leben!
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