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Die Jungfrau

 Bei Prüfungen oder Schwierigkeiten wende ich mich an Mutter Maria, deren Blick allein ausreicht, um jede Angst zu zerstreuen.


Therese von Lisieux 

Maria mit Kind. Grabstein meines Vaters
Maria mit Kind. Grabstein meines Vaters

Notizen Zum Credo 24

Natürlich glaube ich an Wunder. Wie nicht, während ich immer noch lebe an einer Maschine, die in 5 Stunden die Arbeit tut, die meine Niere eigentlich leisten müsste. 

Natürlich glaube ich an Wunder. Ich arbeite an einem Handy. In Sekunden habe ich Zugriff auf Bilder und Texte aus der ganzen  Welt. Ich kommuniziere mit Menschen in Indien, Indonesien, Großbritannien und Kanada, sehe Bilder und höre ihre Stimme. 

Natürlich glaube ich an Wunder. Ich fahre in wenigen Stunden von Leipzig nach Regensburg, Hannover oder Paderborn.


Wir haben uns an die Wunder gewöhnt. 

Wir haben eine Ahnung, wie all das entstand und heute funktioniert, doch so richtig versteht es wohl keiner. 


Und doch frage ich natürlich kritisch nach. Das hat mir Paulus beigebracht:


Habt ihr den Glauben vielleicht unüberlegt angenommen? [1 Kor 15,2]


Auch Lukas geht den Dingen nochmal sorgfältig nach, die damals geschahen. Er will es für Theophilus nochmal recherchieren. Natürlich kennt Lukas noch nicht die historisch-kritische Geschichtsschreibung. Und doch wird deutlich, dass Lukas die Überlieferung geprüft hat. Vielleicht fragte er nach. Vielleicht verglich er verschiedene Texte. 


So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, in der du unterwiesen wurdest. [Lk 1,4]


Lukas überliefert uns die Begegnung zwischen Maria und einem göttlichen Boten.

Manchmal begegne ich Menschen und finde in ihren Worten im Rückblick einen göttlichen Auftrag. Manchmal gibt es Träume, die meine Entscheidung beeinflussen. 

 Maria wird schwanger, obwohl sie sich nicht erinnern kann, mit einem Mann geschlafen zu haben. Es ist ein Schock in einer Gesellschaft, die jede Frau verurteilt, die außerehelich Sex hat - auch dann, wenn der sexuelle Akt erzwungen wurde.

Oder gibt es wirklich keinen Vater?

Die Natur kennt die Fortpflanzung ohne Mann. Einige Pflanzen sind zur Partheogenese fähig. Ebenso verschiedene Fische, Schnecken und die Blumentopfschlange sind dazu fähig. Die dadurch entstehenden Nachkommen sind Klone ihrer Mutter und damit weiblich. 

Bei Bienen und Ameisen entwickeln sich aus unbefruchteten Eiern Männchen. 

Im Jahr 2018 bekam ein allein lebendes Krokodil im Zoo San José in Costa Rica ein weibliches Jungtier.

Beim Menschen gibt es wohl verschiedene biologische Gründe, die es unmöglich machen, dass eine Frau ohne Spermien schwanger wird. 

Trotzdem glaube ich , dass Maria von ihrer Schwangerschaft überrascht war. Ebenso Joseph. Er ist nicht der leibliche Vater und erwägt, sich zu trennen. Ist Jesus vielleicht das Ergebnis einer Singularität? 


Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., schrieb in seinem Buch "Einführung in das Christentum": 


Die Gottessohnschaft Jesu beruht nach dem kirchlichen Glauben nicht darauf, daß Jesus keinen menschlichen Vater hatte; die Lehre vom Gottsein Jesu würde nicht angetastet, wenn Jesus aus einer normalen menschlichen Ehe hervorgegangen wäre. Denn die Gottessohnschaft, von der der Glaube spricht, ist kein biologisches, sondern ein ontologisches Faktum. [Einführung. 1972. 199.]

Auch wenn Jesus später als Sohn des Joseph bezeichnet wurde: er ist nicht der leibliche Vater. Auch ich werde ja als Vater von meinem Adoptivsohn bezeichnet und von ihm Papa genannt. 

Es brauchte einen Traum, damit Joseph seine Rolle annimmt. Auch die Brüder Jesu müssen nicht zwingend biologische Söhne von Maria sein. 

Natürlich steht der Begriff der Jungfrau für die Offenheit auf Gott hin. Mitten in ihrer Ohnmacht erfährt Maria die ungeplante Schwangerschaft als Erhöhung. 

Die Gegner der Christen streuten im 2. Jahrhundert das Gerücht, Jesu Vater sei ein römischer Soldat. Der Name des Soldaten taucht in der antichristlichen Kampfschrift des Philosophen Kelsos auf: Panthera. 

Auch rabbinische Quellen greifen die Legende auf. 

Im 19. Jahrhundert wurde bei Bingerbrück das Grab eines römischen Soldaten mit dem Namen Pantera entdeckt. Der Syrer in römischem Militärdienst lebte von 22 vor Christus bis 40 nach Christus. 

Wurde Maria Opfer einer Vergewaltigung? Hat sie das traumatische Erlebnis verdrängt und das furchtbare Ereignis vergessen? Hat sie trotzdem die übermenschliche Kraft gefunden, das Kind anzunehmen und zu lieben, weil es eben nicht dem Willen des Mannes sein Leben verdankt?

Ich verstehe jede Frau, die nach einer Vergewaltigung abtreibt. Es wäre unmenschlich, zu fordern, das Kind anzunehmen, das auf diese Weise gezeugt wurde. Und doch gibt es Frauen, die das Kind bis zur Geburt ertragen und es dann zur Adoption freigegeben. So verdankt die Generalsekretärin der Nordischen Bischofskonferenz ihre Existenz der Entscheidung ihrer leiblichen Mutter.


Maria erlebte die Geburt ihres Kindes als Wunder. Zumindest lässt dies der Besuch bei ihrer Cousine Elisabeth vermuten. Dort preist sie Gott, der Großes an ihr getan habe. Tatsächlich erinnern sich auch nach zweitausend Jahren Menschen noch dankbar an das Jawort von Maria. Ja, ich nehme dieses Kind an. Und ja, ich begleite dieses Kind. Nach dem biblischen Zeugnis muss sie erleben, dass dieses Kind vor ihr stirbt. Getötet von den römischen Besetzern. Getötet, obwohl das Kind nie zum Kampf aufgerufen hat. Es ist der Albtraum aller Eltern, dass das Kind vor den Eltern stirbt. Denn im Kind soll doch das Leben weitergehen, wenn die Eltern sterben. 


Doch die christliche Botschaft bleibt nicht beim Grab stehen. Sie wagt den Blick hinter den Vorhang, weil Jesus selbst als Lebendiger erfahren wurde. Nicht der Tod hat das letzte Wort, sondern das Leben. Alle Angst, alles Leid, alle Gewalt, alle Ungerechtigkeit haben im Licht der Ewigkeit keine Bedeutung. Am Ende siegt das Leben

Wir wissen nicht, was wirklich damals am Rande des römischen Reiches geschah, aber Maria bewahrte alles in ihrem Herzen und blieb offen für die Verbindung mit dem göttlichen Du. Dafür preisen sie selig alle Geschlechter. 

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