Die Mutter Jesu

Durch den Lebensquell des Wortes kam nämlich die umarmende Mutterliebe Gottes zu uns. 

Hildegard von Bingen

Notizen Zum Credo 25

Regensburg findet in den Schriften von Martin Luther negative Erwähnung. Dort strömten 1519 die Massen zu einer hölzernen Kapelle mit dem Bild der Schönen Maria. Die Gottesmutter soll einen Bauarbeiter wundersam geheilt haben, der beim Abbruch eines Gebäudes gestorben sein soll. Abgerissen wurde die Synagoge. Der Rat der Stadt Regensburg hatte entschieden, die Juden zu vertreiben, die für wirtschaftliche Probleme verantwortlich gemacht wurden. 

Geplant wurde eine große Basilika. Der Bau wurde begonnen, doch die Reformation stoppte das Vorhaben. Die Wallfahrt blühte nach 1747 in St. Kassian nochmal auf. Im südlichen Seitenschiff erzählt bis heute ein Deckenfresko die Geschichte dieser Wallfahrt. Die Kirche steht nicht weit von der zerstörten Synagoge. 

In Würzburg steht heute noch im Herzen des ehemaligen jüdischen Viertels eine Marienkirche. Dort fand im 14. Jahrhundert ein Progrom an den Geschwistern von Maria statt. 

Weitere Beispiele für Marienkirchen an Orten zerstörter Synagogen sind Bamberg, Nürnberg und Weißenburg, um nur ein paar Beispiele zu nennen. 

Maria als Sinnbild der Kirche, die an die Stelle der Synagoge tritt. Hatten die Christen wirklich nicht verstanden, wie Jesus Christus gesiegt hat? Hat das Salz seinen Geschmack verloren, weil in 2000 Jahren Christentum die Christen zu oft der Versuchung der Macht erlegen sind?

Sind die Christen selbst zu den Mächtigen geworden, die Gott nun stürzt und in die Ohnmacht zwingt?


Viele Marienkirchen stehen an Orten ehemaliger Synagogen. So wurde Maria noch einmal erniedrigt. Denn Maria selbst war eine treue Tochter des jüdischen Glaubens, steht in dieser Tradition und führte auch Jesus in diesen Glauben ein. 

Jesus selbst hat kein Buch geschrieben. Wir begegnen ihm in den Perspektiven anderer: Matthäus, Markus, Lukas, Johannes. Aber auch Paulus und andere unbekannte Koautoren. 

In der Tradition der Kirche war es früh beliebt, zu versuchen, die Perspektive der Mutter auf Jesus zu verstehen. 

Das ist nicht immer gelungen und manchmal auch erschreckend schief gelaufen. Marienkirchen auf den Trümmern von Synagogen sind Ausdruck solcher Irrwege, die direkt in die Katastrophe führten. 

Maria eignet sich nicht für Begründung von Feindschaft. Das gilt sowohl zwischen den Konfessionen als auch zwischen Religionen. 

Maria begegnet uns als Frau, die vor allem hört. Und aus dieser Fähigkeit zum Hören wird sie zur engagierten Sprecherin, die dann durch pointierte Statements auffällt. 

Was er euch sagt, das Tut! (Joh 2,5)

„Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach“ (Lk 2,19). Sie ist erst verlobt und erwartet trotzdem ein Kind. Von Joseph ist es nicht. Und auch sie selbst weiß nicht, was mit ihr geschehen ist. Das ist der Beginn des Christentums. Jesus wächst nicht in einer klassischen bürgerlichen Familie auf mit den leiblichen Eltern. Seine Existenz verdankt er einer Singularität, die zunächst einmal dem katholischen Ideal widerspricht. Die Gebrochenheit des Beginns wird allein aufgefangen vom Vertrauen in einen Sinn, der am Ende stärker ist als Leid und Tod. 

Mein Blick fiel - wahrscheinlich autobiographisch bedingt - auf das Jawort des Joseph. Er ist nämlich garnicht der tatsächliche, biologische Vater. Maria ist nach dem Zeugnis der Evangelien durch eine Singularität Mutter geworden. Jesus ist damit eben nicht in einer klassischen, bürgerlichen Familie aufgewachsen, in der das Kind durch einen Zeugungsvorgang seiner Eltern entstand. Also im katholischen Sinne defizitär. Was Jesu Leben ermöglichte, war tatsächlich das Ja zum Leben, ein Geschenk der Liebe, geboren aus Gott, der Beziehung ist und Beziehung schenkt. 

„Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach“ (Lk 2,19)

Sie hatte einiges zu verdauen. Und doch trägt sie ihr Ja durch. Gegen Widerstände durch Gesellschaft und Religion. Maria begegnet in den biblischen Texten immer wieder. Sie bleibt sogar unter dem Kreuz. Und sie hält Gemeinschaft mit den Frauen und Männern, die auch nach Jesu Tod seine bleibende Nähe leibhaftig erfahren haben

Papst Franziskus ermutigt, sich in das Geheimnis der Geburt Jesu zu vertiefen. 

Wir müssen uns in das Geheimnis der Geburt Jesu vertiefen, in das „Ja“ Marias bei der Verkündigung des Engels, als das Wort in ihrem Schoß aufkeimte; auch in das „Ja“ Josefs, der ihm den Namen Jesus gab und sich um Maria kümmerte; in das Fest der Hirten bei der Krippe; in die Anbetung der Sterndeuter; in die Flucht nach Ägypten, bei der Jesus am Schmerz seines ins Exil geschickten, verfolgten und gedemütigten Volkes Anteil nimmt; in die religiöse Erwartung des Zacharias und in die Freude, welche die Geburt Johannes des Täufers begleitet; in die für Simeon und Hanna erfüllte Verheißung im Tempel und in die Bewunderung der Lehrer, als sie die Weisheit des heranwachsenden Jesus vernahmen. Und später müssen wir vordringen in die dreißig langen Jahre, in denen Jesus sein Brot mit seiner Hände Arbeit verdiente, dabei mit verhaltener Stimme das Gebet und die gläubige Überlieferung seines Volkes rezitierte und sich im Glauben seiner Väter fortbildete, bis er ihn im Geheimnis des Reiches Frucht bringen ließ. Das ist das Mysterium der Geburt und das Geheimnis von Nazareth, erfüllt vom Wohlgeruch der Familie! Amoris Laetitia

Die Verehrung von Maria gipfelte in der römisch-katholischen Kirche in zwei ökumenisch strittigen Dogmen. 

Pius IX betont die Perspektive. Der Blick auf Maria darf nicht vom Blick auf Jesus ablenken, sondern soll die Bedeutung Jesu unterstreichen:

"Was immer wir an Ehre und an Lob der Mutter darbringen, stets wird es nur zur Ehre des Sohnes sein." Maria ist "unbefleckt empfangen". 

Das Dogma von 1854 hält für römische Katholiken fest, dass Maria "im Hinblick auf die Verdienste Christi Jesu, des Erlösers des Menschengeschlechts, von jeglichem Makel der Unschuld unversehrt bewahrt wurde.".

Maria musste mit Ohnmacht und Unterdrückung umgehen. Maria musste damit leben, ein Kind unter dem Herzen zu tragen, dessen Vater nicht bekannt oder nicht existent war. Damit konnte die Verlobte Joseph's nicht Teil einer klassischen Familie werden. Das Kind wäre gesellschaftlich gefährdet gewesen, wenn Joseph nicht seine Rolle angenommen hätte. 

Das Ja von Maria kam nicht aus dem Nichts, sondern war vom ersten Moment ihrer Existenz an vorbereitet. 

Natürlich war auch Joseph in besonderer Weise vorbereitet auf sein Ja, aber Maria musste dieses Kind viele Monate lang unter dem Herzen tragen und lieben, um ihm einen guten Start zu ermöglichen. Die Offenheit für Gottes Wege wird dort auf eine harte Probe gestellt, wo unsere Lebensplanungen durchkreuzt werden. Gottes Wege trotzdem gehen vermag derjenige, der sich das Bewusstsein bewahrt, dass Gottes Wege tatsächlich im Innersten zur Vollendung des eigenen Weges führen. Maria bewahrte dieses Bewusstsein von Anfang an. 

Das zweite strittige Dogma [1950] befasst sich mit dem Tod von Maria. Die Aufnahme von Maria in die ewige Zeitenstille ist als passiver Akt beschrieben. Während Jesus Christus aktiv aufsteht, wird Maria passiv aufgenommen. An ihr ist geschehen, was an uns allen geschehen wird. Der Ausdruck "mit Leib und Seele" unterstreicht noch einmal die positive Perspektive auf den menschlichen Körper. Am Ende siegt das Leben!

Der Blick auf Maria dient dem besseren Verständnis von Jesus Christus. Durch alle Generationen wird Maria dafür gepriesen, dass sie in ihrer erfahrenen Ohnmacht auf das Böse nicht dadurch reagierte, dass sie selbst Böses tat. Sie sagte Ja zu einer Existenz, die vielfach gebrochen und unerträglich ist. Maria wurde nicht davor bewahrt, Böses zu erfahren. Ein Schwert dringt in ihre Seele, weil gerade für die Mutter das - nach menschlicher Logik-  Scheitern Jesu besonders schmerzhaft ist. [Lk 2,35]

Die Tradition kennt sieben Schmerzen:


Die Weissagung des Simeon

Die Flucht nach Ägypten 

Die Suche nach dem 12 jährigen in Jerusalem 

Die Begegnung am Kreuzweg

Die Kreuzigung

Die Abnahme Jesu vom Kreuz

Die Grablegung


Maria bleibt bei ihrem Ja und ist am Pfingsttag mit den Jüngern versammelt. 

Darin ist Maria Vorbild im Glauben. 

Mit den Worten von Jenifer Rush kann Maria als eine Überlebende der anderen Art gefeiert werden, die den eigenen Stärken und Fähigkeiten traute, weil in ihnen das absolute Du sichtbar und greifbar wird. Wir gehen dort unseren eigenen Weg, wo wir Gottes Weg ohne Angst vor dem Bösen in der Welt und in uns gehen. 


Lass dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute! [Röm 12,21]

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