Pontius Pilatus

Auf dem Weg zur Macht geht oft die Menschlichkeit verloren. 

Heidi Maria Artinger

Notizen Zum Credo 28

Ava Max ist eine der erfolgreichsten Sängerinnen der Gegenwart. In ihrem Song Who´s laughing now? aber erinnert sie an Zeiten, in denen andere nicht an ihren künftigen Erfolg glauben wollten und ihr Steine in den Weg legten. 

Die Geduld im Vertrauen auf die Zukunft ist eine biblische Tugend. Vorbild ist vor allem Hiob. Nach dem Verlust von Kindern und Besitz wird ihm empfohlen, Gott zu verfluchen und seinen Glauben an einen letzten Sinn aufzugeben. Er aber vertraut dem, was ihm letzten Halt in der Katastrophe gibt. Er weiß auch nicht, was das alles soll. Er ringt und streitet. Aber er gibt nicht auf. 

Geduld glaubt an den Spalt in der Tür in auswegloser Situation. 

Ausweglos erscheint die Situation von Jesus Christus, als er Pontius Pilatus begegnet. Im Johannesevangelium fragt der Vertreter der römischen Macht, ob Jesus Christus sich als König bezeichnet. Jesus Christus weicht aus. Dabei könnte er die Frage verneinen. 

Als versucht wurde, ihn zum König zu ernennen, hatte er sich dem Willen der Menge entzogen:


Da erkannte Jesus, dass sie kommen würden, um ihn in ihre Gewalt zu bringen und zum König zu machen. Daher zog er sich wieder auf den Berg zurück, er allein. [Joh 6,15]

Von 26 bis 36 nach Christus war Pontius Pilatus in Judäa als Präfekt. Kaiser Tiberius hatte ihn eingesetzt. Im Machtgefüge des Imperiums war er dem Statthalter der Provinz Syria unterstellt. 

Außerbiblisch wird der Prãfekt von Philon von Alexandria erwähnt. Der jüdische Philosoph und Zeitgenosse von Pilatus schreibt davon, dass Pontius Pilatus mit einer Überprüfung seiner Amtsführung rechnen musste: 


Dabei könnte man seine Bestechlichkeit, seine Gewalttätigkeit, seine Räubereien, Mißhandlungen, Beleidigungen, fortgesetzten Hinrichtungen ohne Gerichtsverfahren sowie seine unaufhörliche und unerträgliche Grausamkeit vortragen. [Legatio at Gaium 299-205]

Immerhin 10 Jahre regierte er in einer unruhigen Region des Reiches. Eigentlich waren die Römer großzügig. Fremde Religionen konnten frei ausgeübt werden. Die jüdische Religion aber machte Probleme. Zum einen widersprach der Glaube an den einen Gott dem römischen Konzept der vielen Gottheiten, zum anderen gab es da die messianische Hoffnung auf politische Befreiung.  

Jesus Christus aber betont nach dem Johannesevangelium, dass sein Reich nicht von dieser Welt sei. 


Jesus antwortete: Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn es von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Aber mein Königtum ist nicht von hier.

Pilatus sagte zu ihm: Also bist du doch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme. [Joh 36-37]

Die Bemerkung von Jesus irritiert. Die Jünger waren sehr wohl bereit, für ihn zu kämpfen. Noch bei der Festnahme zog ein Jünger sein Schwert. Doch Jesus heilte das Ohr und verhinderte weitere Kämpfe. 


Pontius Pilatus versteht nicht. Vielleicht ist daran auch die Sprache schuld. Wahrscheinlich sprach Jesus Aramäisch. Die Aussage musste übersetzt werden. Und bei Übersetzungen kann viel schief gehen. 

Im Bemühen, für die Wahrheit Zeugnis abzulegen, verstrickt sich Jesus in Aussagen zum Königtum, die der Vertreter Roms als Bedrohung des römischen Herrschaftsanspruchs begreifen kann. 

Schließlich schweigt Jesus. Vielleicht erkannte er, dass es keine gemeinsame Kommunikationsebene gibt. Nicht immer gelingt der Versuch, die eigene Perspektive zu erläutern. 

Doch natürlich kann das Schweigen als Zustimmung zum Vorwurf gewertet werden. 


Da sagte Pilatus zu ihm: Du sprichst nicht mit mir? Weißt du nicht, dass ich Macht habe, dich freizulassen, und Macht, dich zu kreuzigen? [Joh 19,10]


Nicht immer hilft es, miteinander zu reden. Manchmal vertieft jedes neue Wort den Graben. 

Doch tatsächlich ist jede Macht eine Illusion auf einem Planeten, der am Ende in der Sonne verglühen wird. 

Jede Macht vergeht. Auch das stolze Reich der Römer ist inzwischen zerfallen. Und Pilatus selbst ist eine Fußnote im Credo. 


In der Wirkungsgeschichte begegnen uns zwei verschiedene Personen, hinter denen die historische Person nicht so leicht rekonstruierbar ist. 

In der orthodoxen Kirche wird aus dem Stadthalter Roms nach der Auferstehung ein Christ. Tertullian erzählt 197 davon, dass Pilatus einen Brief an Kaiser Tiberius geschrieben habe , in der er die Auferstehung Jesu bestätigt. In der koptisch-orthodoxen sowie äthiopisch-orthodoxen Kirche wird Pilatus als Heiliger verehrt. 

Der lateinische Westen neigt ab dem Mittelalter zur Dämonisierung von Pontius Pilatus. Danach begeht er später sogar Selbstmord. 

Manche sehen Pilatus als ängstlichen Machtmenschen, der vor allem an einem guten Verhältnis zur jüdischen Obrigkeit Interesse hatte. 

Manche versuchten daher, die Schuldfrage am Tod Jesu auf den Sanhedrin zu schieben. 

Doch Jesus selbst machte deutlich, dass er an der Schuldfrage kein Interesse hat: 


Jesus aber betete: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun. [Lk 23,34]

Damit verbietet sich jede weitere Frage nach dem Schuldigen für Jesu Tod. 

Immer wieder hatte Jesus doch davor gewarnt, andere zu verurteilen: 


Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet!

Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden, und nach dem Maß, mit dem ihr meßt und zuteilt, wird euch zugeteilt werden.

Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht? 

[Mt 7, 1-3]

Jesus geht seinen Weg im Vertrauen auf das absolute Du, das er liebevoll Abba nennt. 

Jesus ruft uns dazu auf, die Ohnmacht anzunehmen, die typisch für die Existenz als Mensch ist und dort zu lieben, wo uns das Schicksal hinstellt. 

In der Dunkelheit versucht Pilatus die Welt zu deuten. In der Dunkelheit versucht jeder von uns den Weg zu finden. 

Es ist eine rätselhafte und manchmal kalte Welt. 

Jesus Christus bietet sich als Licht der Welt an, damit wir nicht zu oft stolpern. 

Erfolg bemisst sich dabei nicht an Berühmtheit und Geld.

Erfolg bemisst sich nicht an der Zahl der Follower oder an der Karriere. 

Erfolg ist, Spuren der Liebe in die Welt zu legen, um anderen zu helfen, die eigene Ohnmacht zu ertragen. 

In einer Welt, die auf Macht und Einfluss blickt, sucht Jesus Wege, den glimmenden Docht nicht zu löschen. 

Um den Ohnmächtigen nahe zu sein muss ich auf Macht verzichten. 

Dem Du kann ich mich zuwenden ohne ein Amt in der Kirche oder eine wichtige Stellung in der Welt zu haben. Manchmal besteht sogar die Gefahr, dass weltliche Macht mich blind für die Ohnmächtigen macht. 

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