Auferstehung

Meine Hochzeitskirche in Leipzig
Meine Hochzeitskirche in Leipzig

Notizen zum Credo 32

Das Ich ist dem Beobachter verborgen. Wir deuten, was andere erzählen,  aber wir können nie wirklich fühlen, was der andere fühlt und nie wirklich sehen, was der andere sieht. 

In der liebevollen Berührung kommen sich zwei Menschen nahe, doch selbst nach Jahrzehnten erahnen wir höchstens, wie sich das Leben für die geliebten Menschen anfühlt. 

Zärtlichkeit und Sex werden als Vereinigung, Verschmelzung und Erkennen des Du beschrieben, manche sind aber nur dem Körper nah und fern vom Du. Und auch wenn die Nähe beide beglückt:

es bleibt eine letzte Fremdheit und Einsamkeit. 


Die Frauen kommen vom Grab und berichten, was sie erlebt haben. Die männlichen Jünger bleiben ungläubig bis zu dem Moment, an dem sie eine eigene Erfahrung machen. 

Thomas zweifelt. 

Er braucht das Angebot der physischen Berührung. 

Paulus verfolgt die Christen. 

Seine Perspektive wandelt sich radikal, weil ihm dieser Jesus begegnet. 

Zwei Jünger treffen unterwegs einen Fremden. Sie reden über die Ereignisse in Jerusalem, die jede Hoffnung auf politische Befreiung zerstörten. Erkennbar wird Jesus erst, als er das Brot bricht. Doch genau in diesem Augenblick entzieht sich der Auferstandene. 

Nur eine Erscheinung? Spielt das Gehirn den Jüngern einen Streich?

Der Leichnam ist weg. 

War Jesus nur scheinbar tot? Hatte er die grausame Folter überlebt? In Indien wird das Grab von Yuz Asaf verehrt. Danach soll Jesus die Kreuzigung überlebt haben, um dann nach Indien zu gehen. 

Natürlich weiß ich nicht, was vor 2000 Jahren wirklich geschah. Doch um die Kreuzigung zu überleben, hätten viele Personen zusammenwirken müssen, inklusive Pilatus. Historiker beschreiben ihn als grausam. Und doch kreuzigte er Jesus widerwillig und nur aus Angst vor der Menge.


Die Auferstehung entzieht sich der letzten Gewissheit, doch die Zeugen sind durch diese Erfahrung verändert. 

Die wundersame Rettung des Sterbenden am Kreuz vor der entgültigen Vernichtung hätte eine andere Erzählung ausgelöst, die gut zum jüdischen Glauben gepasst hätte. Warum also hätte sie nicht erzählt werden sollen? 

Paulus hat seine Entscheidung getroffen und überliefert die Liste der Zeugen. Er betont, dass es noch lebende Zeugen gibt. Die Christen können hingehen und fragen. 

Der ehemalige Verfolger der Christen ist fest überzeugt von dem, was er verkündet:


Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos. [1 Kor 15,14]

War es nur ein psychischer Vorgang. 

Manche Trauernde entdecken die Spuren des Verstorbenen an unterschiedlichen Orten und auch im Traum. Dann wischen sie es weg. Es ist ja nur im Kopf. Wirklich? 

Vielleicht ist da doch mehr Realität dran. 

Die Forschung hat das Bewusstsein immer noch nicht gefunden. Scheinbar müssen verschiedene Bereiche im Gehirn zusammenarbeiten. Scheinbar brauchen wir die Impulse und Zuwendung des Du,  um uns selbst zu entdecken. 

Im Tod verliert sich die nachweisbare Spur. Ist das Ich unwiderbringlich weg? 


Die Frauen erschraken und blickten zu Boden. Die Männer aber sagten zu ihnen: Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? [Lk 24,5]

In Raum und Zeit braucht Bewusstsein einen Körper. Kann das Bewusstsein zu Gast in den Menschen sein, die den Verstorbenen lieben? 

Manche spüren da ein anderes Bewusstsein. Sie sitzen allein im Auto und erleben ein Du. Sie hören eine Stimme und zucken zusammen. Einfach nur im Kopf. Natürlich. Wo sonst? Alles, was wir erkennen, erkennen wir nur, weil es im Kopf verarbeitet wird. 

Manchmal stehen wir an einem vertrauten Ort und die gemeinsame Geschichte mit dem verlorenen Du wird präsent. 

Manchmal spüren wir in einer konkreten Umarmung noch ein anderes Bewusstsein. Es ist wichtig, die verschiedenen Personen zu trennen. Ich darf nicht den Menschen, der mich gerade umarmt, zum Medium degradieren. Und doch ist da eine Präsenz einer anderen Liebe, wenn die Begegnung gegenseitiges freies Geschenk ist. 


Die Jünger sitzen hinter verschlossenen Türen. Da steht plötzlich Jesus im Raum. Es ist körperlich. Er zeigt seine Hände und seine Seite. Eine Woche später wird Thomas aufgefordert, ihn konkret zu berühren. Hat Thomas ihn tatsächlich nach der Aufforderung berührt? Das wird nicht explizit berichtet. Thomas reagiert überwältigt auf die Erscheinung des Auferstandenen: Mein Herr und mein Gott... 

Doch natürlich kann auch  der Tastsinn eine Illusion des Gehirns sein. 


Die Körperlichkeit der Begegnung wird auch dadurch unterstrichen, dass Jesus im Lukasevangelium die Jünger sogar auffordert, genau hinzusehen: 


Seht meine Hände und meine Füße an: Ich bin es selbst. Fasst mich doch an und begreift: Kein Geist hat Fleisch und Knochen, wie ihr es bei mir seht. [Lk 24,39]


Was damals wirklich geschah, entzieht sich unserem Wissen. Es gab ein leeres Grab. Der Auferstandene ist aber nicht einfach ein wiederbelebter Toter. Das hätten die Jünger erkannt. Es hätte die Grundlage einer anderen Erzählung werden können. 

Doch die Ereignisse sind auch nicht nur ein psychischer Vorgang ohne Grundlage in Raum und Zeit. Naturwissenschaftlich kann das Ereignis nicht untersucht werden, weil es eine Singularität ist, an der eine Institution beteiligt ist, die selbst nicht in Raum und Zeit greifbar ist, deren Spuren aber der Glaubende überall im Alltag entdeckt. 

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