Neben dem Vater

Notizen zum Credo 34

Endlich ist Jesus da angekommen, wo der 12jährige bereits sein wollte. Das Haus seines Vaters war Symbol einer Präsenz, die diese Welt so sehr durchdringt, dass sie von den meisten Menschen übersehen wird. Der wirklich Mächtige lässt die Welt sich entwickeln, ohne ständig aktiv in das Geschehen einzugreifen. Der Mensch stirbt und ist ohnmächtig. Auch Diktatoren und Könige sind am Ende ohnmächtig. Und doch machen die Menschen, die als bewusste Wesen Welt gestalten, einen Unterschied. 

Jesus vertraute auf einen tieferen Sinn. Nach der Überzeugung der Christen konnte er deshalb darauf vertrauen, weil er die Erinnerung an die Quelle in menschlichen Bildern in sich trug. 

Nun ist er zurück beim Vater.

Zeit und Raum lässt er hinter sich. 

Er lässt die Christen weiter an einer Geschichte bauen, deren Grundstein er gelegt hat. Es wird Streit und Spaltung geben. 

Er lässt Raum zur Entwicklung und Entfaltung und vertraut dem in die Welt gelegten Samen.

Doch die Entwicklung lässt ihn nicht kalt. Er schickt den Geist. Mutig gehen Menschen ihren Weg in die Ohnmacht, getragen von dem Gott, der Gemeinschaft ist und Gemeinschaft schenkt. 

Immer wieder erweisen sich Christen als Licht für andere. 

Immer wieder entdecken Christen die Spur Jesu auch und gerade da, wo Menschen nicht Christen genannt werden. 

Immer wieder enttäuschen Christen, weil sie zu schnell bereit sind, die Botschaft der Liebe zu verwässern:

Sollen wir wirklich denen Gutes tun, die uns hassen? Ist die Feindesliebe wirklich so gemeint? Reicht es vielleicht doch, am Leben und am Reichtum festzuhalten? 

Was geht mich die Not der Menschen an? Hilf Dir selbst, dann hilft Dir Gott. Ich soll doch auch mich selbst lieben. Niemand kann erwarten, dass ich mich selbst opfere. Reicht doch, wenn andere das tun. 

Endlich ist Jesus angekommen. Er sitzt bei seinem Vater. Aber tatsächlich geht es ihm nicht darum, diesen Platz zu besetzen. Er vertraut und liebt. Er hielt nicht daran fest wie Gott zu sein. Er ging nach Jerusalem und hielt nicht ängstlich sein Leben fest. Die Frage, wer da rechts vom Vater sitzt, interessiert nicht. Er trägt den göttlichen Vater im Herzen. Ihm war nur wichtig, den Weg zu gehen und den Menschen eine Tür zu öffnen. Dazu brauchte er Helfer. Die Christen sind Wegweiser. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger. 

Die Berufung in die Nachfolge ist damit verbunden, Bindungen loszulassen, um frei für den Weg in die Ohnmacht zu sein. Die Jünger waren wohl teilweise verheiratet, doch sie hatten alles verlassen, um mit Jesus durch die Orte zu wandern. 

Irgendwann muss sich doch all die Mühe lohnen? Wenn wir doch manchmal hier auf der Erde vergeblich kämpfen, dann gibt es doch vielleicht für den Glaubenden die Hoffnung auf besondere Bevorzugung im Himmel? Nein? Nein. 


"Damals kam die Frau des Zebedäus mit ihren Söhnen zu Jesus und fiel vor ihm nieder, weil sie ihn um etwas bitten wollte. Er fragte sie: Was willst du? Sie antwortete: Versprich, dass meine beiden Söhne in deinem Reich rechts und links neben dir sitzen dürfen. Jesus erwiderte: Ihr wisst nicht, um was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde? Sie sagten zu ihm: Wir können es. Da antwortete er ihnen: Ihr werdet meinen Kelch trinken; doch den Platz zu meiner Rechten und zu meiner Linken habe nicht ich zu vergeben; dort werden die sitzen, für die mein Vater diese Plätze bestimmt hat." [Mt 20,20 - 23]

Der Dienst am Du und die Berufung in die Ohnmacht sind der Weg des Christen. Der Christ geht ohne Aussicht auf Belohnung durch die Welt. Wenn er alles getan hat, was die innerste Stimme fordert, dann erfüllt er einen Auftrag. 


Wenn du Almosen gibst, soll deine linke Hand nicht wissen, was deine rechte tut. Dein Almosen soll verborgen bleiben und dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten. [Mt 6, 3-4]


Das Gute tun ist an dieser Stelle ein Akt des Unterbewusstseins. Es gibt kein aktives Nachdenken darüber, dass es Jesus oder Gott gefallen könnte. Es ist einfach ein Dienst eines Ohnmächtigen am Ohnmächtigen. Alles, was mir gegeben ist, soll dem Du dienen. 

Was mein innerster Auftrag ist kann mir kein anderer sagen. Auch nicht Eltern, Erzieher, Philosophen oder Theologen. Und so höre ich anderen zu und gehe dann in die Stille.

Der Weg zum Vater musste durch die Ohnmacht führen. 

Der Weg der Christen heute führt wieder in die Ohnmacht, weg von den Volkskirchen. 

In der Zeitenstille öffnen wir die Augen und erkennen, dass wir immer schon getragen waren. 

Jesus ist beim Vater. Seine Jünger wollten ja wissen, wer im Himmel der Größte ist. Jesus hielt nichts von dieser Machtfrage. Er war bereits auf der Erde nicht daran interessiert, Macht auszuüben. 

Die ersten Christen erkannten in Jesus Gottes Angesicht. Das Nachdenken der ersten Generation mündete darin, Jesus an die Seite des Vaters zu setzen. 

Jesus selbst setzte sich nicht an diesen Platz. Gerade dadurch erweist er sich als würdig und göttlich. 


In jener Stunde kamen die Jünger zu Jesus und fragten: Wer ist im Himmelreich der Größte? Da rief er ein Kind herbei, stellte es in ihre Mitte und sagte: Amen, das sage ich euch: Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen. Wer so klein sein kann wie dieses Kind, der ist im Himmelreich der Größte. [Mt 18, 1-4]

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