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Vom Handy

Manchmal trennt das Handy. Ich sitze in der Straßenbahn. Andere sitzen auch da. Alle blicken auf kleine Bildschirme. Früher war das anders. Wirklich? Ich versuche mich an den Bus zu erinnern, der mich in meiner Kindheit vom Hafen nach Regensburg brachte. Mein Blick ging hinaus oder ich schloss die Augen. Manchmal habe ich gelesen. Andere hatten eine Zeitung mit. Die meisten blickten in die Leere. Nein, es ist eine Illusion. Auch früher scheiterte die Begegnung mit dem Du. 

Das Handy ist nicht das Problem. Der Mensch will dem Menschen direkt nebenan nicht wirklich begegnen. Oft genug, weil der Mensch eine scheue Katze ist, die zu oft schlechte Erfahrungen gemacht hat. Nicht der Fremde ist die Bedrohung, sondern der Nachbar. 

Die meisten Straftaten geschehen im Nahbereich: Ehepartner, Familie, vermeintliche Freunde. 

Natürlich gibt es auch die Gefahren des Internets. Fremde Menschen schmeicheln dem Ego. Sie geben vor, sich für mich zu interessieren. Sie versuchen, eigene Interessen zu bedienen. 

So verschließen sich viele und bleiben auf Distanz. 

Das Handy ist aber auch die Tür zur Welt. Menschen aus Indonesien erzählen von ihrem Alltag. Über die Jahre entstehen ferne Freundschaften.  

Neue Türen öffnen sich, wo Menschen sich dem fremden Du nicht entziehen. 

Meist gehen wir weiter. Wir scrollen von Nachricht zu Video. 

Das Handy ist nicht das Problem. Es ist ein Hilfsmittel. Natürlich sind die Bilder und Texte auch Selbstdarstellung. Ich selbst bin Instrument, um dem Du zu begegnen. Ich selbst gehe durch Raum und Zeit und entkomme nicht der Ich-Perspektive. Ich mache meine Perspektive auf die Welt sichtbar in Bildern und Texten. Ich lese die Perspektive anderer und verknüpfe meine Erfahrungen mit den Erfahrungen anderer. Manchmal gibt es so eine Brücke zum Du. 

Es gibt natürlich Echoräume, die nur spiegeln, was ich vorher schon zu wissen glaubte. 

Es gibt natürlich Begegnungen, die nur die eigenen Vorurteile bekräftigen. 

Manche möchten das gerne verstärken. Da wird dann der Kontakt zu bestimmten Personen und Gruppen hinterfragt. Wie kannst Du nur mit dieser Person Kontakt haben? 

Ich muss an die Reaktion der Pharisäer denken als Jesus sich von einer Frau berühren ließ: 


Wenn er wirklich ein Prophet wäre, müsste er wissen, was das für eine Frau ist, von der er sich berühren lässt; er wüsste, dass sie eine Sünderin ist. [Lk 7,39]


Wer selbst einen Standpunkt und ein Ziel hat braucht keine Angst vor anderen Standpunkten und Zielen haben. 

Natürlich habe ich ein Bild von anderen. Natürlich formt sich mein Bild, wenn ich sehe, wie Menschen im Umgang mit anderen agieren. 

Jesus lebt vor, was auch heute Grundlage von Beziehung zur Welt sein kann. Er begegnet Menschen am Rand und stellt sie ins Zentrum. Er lässt sich vom Unverständnis seiner Gruppe nicht irritieren. 

Er liebt und lässt los. 

Jesus lässt auch eigene Bilder los. So will er einer fremden Frau zuerst nicht helfen, lässt sich aber von ihrem Glauben und ihrem Vertrauen bekehren. [Mt 15, 22-28]

Das Handy eröffnet die Möglichkeit, eigene Perspektiven hinterfragen zu lassen und neu zu sortieren. 


Jesus geht seinen eigenen Weg und bleibt doch im Dialog. 

Und doch gibt es auch Begegnungen, die verletzen und zu keinem Ziel führen. Im Lauf der Jahre habe ich gelernt, dass es auch wichtig ist, Kontakte zu blockieren, weil jede neue Begegnung zu neuen Verletzungen führt. 

Manchmal blockiere ich auch, weil Erwartungen gestellt werden, die ich weder erfüllen kann noch will. 


Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sich selbst verliert und Schaden nimmt? [Lk 9,25]


Ich gehe weiter. Ich urteile aber nicht. Andere werden diesem Menschen begegnen. In der Stille hoffe ich, dass andere einen Zugang finden, den ich übersehen habe. Ich hindere nicht. Manchmal kann ich dem Du eine Brücke bauen. Manchmal ist es besser, wenn ich loslasse, damit andere die Brücke bauen können. 

Ich lebe an einem konkreten Ort. Manchmal macht das Handy Menschen sichtbar, die ich ansonsten übersehen habe. Ich treffe mich mit Menschen in meiner Stadt zum Kaffee, zu denen meine Texte und Bilder eine Tür öffneten. 

Ein Netz von Freundschaften in der Welt erzählt davon, dass wir alle Suchende sind. Du hast etwas entdeckt. Ich habe etwas entdeckt. Ich werde Teil Deiner Geschichte. Du wirst Teil meiner Geschichte. 

Vertrauen braucht eine Basis. Das Handy kann Brücken bauen oder Mauern errichten. Es liegt an mir selbst. 

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