"Wir sind verflucht!" Es gibt Sätze, die klingen nach. Tage, Jahre, Jahrtausende.
"Wir sind verflucht!", sagte Martina verzweifelt. Sie erwartete Widerspruch von ihrem Mann, dem Theologen. Doch der schwieg.
Ein Bäumchen wächst. Wie viele wachsen nicht. Leben entsteht. In großer, verschwenderischer Vielfalt. Irgendwie aus dem Nichts? Irgendwann in das Nichts? Irgendwo am Rande der Milchstraße!
Ein Opa schnitzt eine Flöte. Er gibt sich viel Mühe. Liebevoll. Sehr genau. Er gibt die Flöte dem Enkel. Der spielt kurz darauf. Zerbricht die Flöte. Grinst dabei.
"Wir sind verflucht!" Ein Teenager schmeißt alles hin, nimmt Drogen, sprengt alle Grenzen, wird zum Straftäter. Das trifft jede Mutter, nicht nur eine Richterin.
Ein Vater hatte zwei Söhne...
Söhne von Theologen werden auch gerne mal Atheisten, nicht jeder wird dabei gleich Nietzsche.
"Alles wird gut werden" Wie oft kann man diesen Satz sagen, ohne dass er zum Hohn wird? Zu schnell reden Theologen von Gott. Dabei sammeln auch sie nur Erfahrungen anderer. Doch manchmal schickt Gott den Theologen in die Wüste ...
Das Leben ist zerbrechlich. Am Beginn eines großen, starken Baumes steht eine zerbrechliche Pflanze. Und aus den meisten Samen wird eben kein Baum. Gott ist Liebe?
Halt den Mund, Du Theologe!
Narben, Brüche, Tränen, Hunger, Durst, Krieg, Gewalt, Sklaverei, Mord, Unterdrückung begleiten die Geschichte der Menschen. Die Kirche? Zu oft kein Vorbild und selbst in Macht und Schuld verstrickt. Auch die Tierwelt ist nicht so harmlos. Ich kann nicht mehr sehen, kann kaum noch glauben. Tja, Du Theologe. Kein frommer Spruch im Angebot?
"Alles wird gut!" glaubte ausgerechnet das jüdische Volk im babylonischen Exil und die Christen in der Arena im Angesicht der Löwen. Die Macht des Ohnmächtigen ist die Hoffnung. Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Auch das ist Erfahrung.
Was wird aus dem Bäumchen? Wird es zum Baum? Wird es von einem Kind aus der Erde gerissen?
Irgendwann wird auch der Baum gefällt. Irgendwann wird auch der Jugendliche sterben. Vielleicht erst als alter Mann. Irgendwann endet insgesamt das Leben auf dieser Erde.
Was hat das alles dann noch für einen Sinn?
Leidenschaft, Liebe, Schmerz, Tod. Erfahrungen.
Am Sterbebett seiner Mutter sitzt ein Jugendlicher, Er spricht von Schuld. Er weint. Ein Dialog ist nicht mehr möglich. Zu spät. Doch der Jugendliche spricht - offen wie nie zuvor. Alles wieder gut? Nein. Alles verflucht? Nein. Puls und Blutdruck werden ruhig. Das Gesicht entspannt.
Die Juristin lächelt. Der Theologe schweigt.
Text: Ernst-Ulrich Kneitschel
Bild: Dr. Mona Clerico