Den Konflikt aushalten

Lieben ist leicht, wenn man mit dem anderen einer Meinung ist. Lieben ist schwer, wenn man unterschiedliche Standpunkte vertritt. Die verwandelnde Kraft der Liebe, die Jesus lehrt, besteht darin, auch dann zu lieben, wenn man den anderen nicht (mehr) begreift.

 

Im ökumenischen Institut Bossey habe ich mehrere Monate mit Studenten verschiedener Konfessionen gestritten. Manche davon hatten ein festes Feindbild von Katholiken. Und auch ich hatte manche gut gepflegte Vorurteile.

Im Lauf der Zeit aber erkannten wir, dass uns mehr verbindet als uns trennt. Aus Feinden wurden im beharrlichen Dialog und im gemeinsam gelebten Alltag Freunde - auch wenn viele Unterschiede blieben. Wir kannten die Geschichte des anderen, wussten, wofür er stand und brannte. 

 

"Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen." Da ist keine harmonische Liturgie unter Gleichgesinnten gemeint, sondern gemeinsames Ringen im Vertrauen darauf, dass Jesus seine Kirche begleitet.

 

Das ist die enge Pforte, durch die viele nicht gehen wollen oder können: sich dem anderen auch dann zuzuwenden, wenn man seine Überzeugung nicht teilt.